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Gespräch und Film zum Kriegsende in Potsdam: Alles eine Frage der Identität

Die Welt ist gefüllt mit persönlichen Erlebnissen. Tausende individuelle Geschichten, die von der Vergangenheit, der Gegenwart und irgendwann der Zukunft erzählen.

Von Sarah Kugler

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Die Welt ist gefüllt mit persönlichen Erlebnissen. Tausende individuelle Geschichten, die von der Vergangenheit, der Gegenwart und irgendwann der Zukunft erzählen. Jede von ihnen ist – zumindest aus der Sicht des jeweiligen Erlebenden – ein Stück Wahrheit. Solche Wahrheiten hat Regisseur Hans-Dieter Rutsch versucht, in seinem Dokumentarfilm „Ein Ende von Potsdam“ aus dem Jahr 1995 darzustellen. Am vergangenen Dienstagabend stellte er den Film gemeinsam mit Produzent und heutigem rbb-Redakteur Johannes Unger im Rahmen der Potsdamer Gespräche im vollbesetzten Kinosaal des Filmmuseums vor.

Der Film erzählt vom Ende des Zweiten Weltkrieges in Potsdam und rückt dabei drei Menschen in den Fokus: Den damaligen Abiturienten Enno Stephan, der zuschauen musste, wie sein Freund wegen Wehrdienstverweigerung erschossen wurde, den Potsdamer Maler Werner Nerlich, der zur Roten Armee überlief und die Schauspielerin Maria Milde, die ihre Erlebnisse im bombardierten Potsdam detailgetreu in einem Tagebuch festgehalten hat. Er wollte sich, so Rusch, mit diesem Film auf eine Wahrheitssuche begeben, die Geschichten jenseits der DDR-Version von der heldenhaften Befreiung durch die „guten Sowjetsoldaten“ erzählt. „Die Wahrheit ist immer das erste Opfer des Krieges, aber genauso des Sieges“, so Rutsch. Wie um das zu revidieren, führte er lange Gespräche mit seinen Protagonisten, die ihn alle auf sehr unterschiedliche Weise berührten. Enno Stephan etwa, der heute noch in Potsdam lebt, habe in seinen Augen die Dokumentation gebraucht, um mit dem Verlust des Freundes abzuschließen. Ein Stück Trauerarbeit sei es gewesen, vielleicht auch ein Denkmal für den verstorbenen Kameraden. „Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass er nie direkt in die Kamera blickt oder mich als Gesprächspartner anblickt“, so Rutsch. Stephan habe zu sich selbst gesprochen.

Ganz anders Werner Nerlich, der laut Rutsch sofort von dem Projekt begeistert gewesen sei und sehr offen von seinen Erlebnissen erzählt habe. Viel um Identität sei es dabei gegangen, die er – so Rutschs Schlussfolgerung – beim Übertritt in die Rote Armee vollständig aufgeben musste. Diese Frage nach der Identität, der Zugehörigkeit zu einem Land oder einer Stadt ist es auch, was den Film selbst nach 20 Jahren immer noch interessant macht. Denn wenn die Zeitzeugen von dem Brand des Stadtschlosses oder der Garnisonkirche als furchtbares Erlebnis sprechen, rückt die aktuelle Debatte um den Wiederaufbau schnell in das Bewusstsein des Zuschauers. Eine Debatte, die auch viel mit den Identitäten der heutigen Potsdamer zu tun hat. Wie Johannes Unger sagte, merke man dieser Debatte an, dass in Potsdam erst spät eine Auseinandersetzung mit dem Kriegsende begonnen hätte: „Da wurde vieles lange nicht aufgearbeitet und das führte zu Verspannungen.“ Inzwischen habe der Streit aber auch dazu geführt, dass Potsdam an Selbstbewusstsein gewonnen habe. Sarah Kugler

Das nächste Potsdamer Gespräch zum Film „Der Junker und der Kommunist“ findet am 21. Juli ab 18 Uhr im Filmmuseum, Breite Straße 1, statt

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