Von Klaus Büstrin: Alles hat seine Zeit
Fantasievoll-poetische Inszenierung von „Wie hoch ist oben?“ am Hans Otto Theater
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Wie gehe ich mit dem Tod um? Eine Frage, die die Menschen von jeher beschäftigt. Brendan Murrays Kinderstück „Wie hoch ist oben?“ spricht ebenfalls dieses Thema an. Nun ist es an Kinder und auch Erwachsene gerichtet. Ein Mädchen mit Namen Sternchen möchte die Unausweichlichkeit des Todes nicht bejahen. Ihre Großmutter Ba Gia wird nicht mehr lange leben. Das hat sie ihr angekündigt. Zwar versucht die alte Frau, Sternchen zu erklären, dass die Menschen anders sind als die Natur, beispielsweise im Garten, die jeden Frühling zu neuem Leben erwacht. Doch das Mädchen möchte die Zeit anhalten.
Das Hans Otto Theater hat sich nun an ein Tabuthema herangewagt. Immer wieder erlebt man, dass Erwachsene Gespräche über Tod und Sterben mit Kindern ausschließen. Schreckliche Dinge wie der Tod gehören nicht in das Denken von Kindern, so manche Eltern. Doch die Mädchen und Jungen wollen wissen, was um sie herum in der Welt geschieht und warum. Das Stück für Kinder ab sechs Jahren „Wie hoch ist oben?“ wird zwar nicht alle Fragen beantworten, aber es könnte ein gutes und hilfreiches Erklären sein, dass der Kreislauf von Leben und Tod nicht aufzuhalten ist. Das Potsdamer Theater griff auf das Stück des Briten Brendan Murray zurück, das sehr einfühlsam, auf heiter-berührende Weise damit umgeht.
Es erzählt die Geschichte von der Großmutter Ba Gia (Rita Feldmeier), dem Sternchen (Juliane Götz) sowie dem Vogel ohne Flügel, der sich Cynthia nennt (Alexander Weichbrodt) und das Mädchen auf seiner Erkundungsreise begleitet. Es möchte nämlich erkunden, wie man die Welt anhalten und damit die Großmutter vor dem Tod retten kann. Hilfe erwarten sie von den Zauberern des wilden Windes, des rauschenden Regens und des stillen Schnees. Doch sie erfahren, dass auch sie die Zeit nicht anhalten können. Sternchen wird zudem erkennen müssen, dass alles seine Zeit hat: Blühen und Verwelken, Leben und Sterben.
Andreas Rehschuh, dem am Hans Otto Theater bereits schon mit „Drachenreiter“ und „Momo“ wunderbare Inszenierungen gelungen sind, kann nun auch mit „Wie hoch ist oben?“, das gestern seine Premiere in der Reithalle erlebte, eine neue erfolgreiche Regiearbeit hinzufügen. Man spürt bei ihm immer wieder eine liebevolle Besessenheit, der Poesie und der Fantasie viel Raum zu geben. Dazu benötigt er natürlich eine Bühnen- und Kostümbildnerin wie Grit Walther, die dem fantasievollen Gestalten des Regisseurs stets die Hand reicht. Viel benötigt sie nicht, um dem märchenhaften Geschehen ein feines optisches Gepräge zu geben. Abgeschlossen wird die Bühne von einer hohen Gartenmauer mit einem „Fahrstuhl“. Auf ihm findet der Thron von Frau Sonne und Herrn Mond (Elzemarieke de Vos) Platz, darunter ein Baum, der seine bunten Blätter abgeworfen hat. Dann gibt es nur noch eine Schaukel, mit der Sternchen und der Vogel ohne Flügel mit viel Vorstellungskraft zu den Zauberinseln reisen. Sonst nichts. Doch die Beleuchtungseffekte oder der leise fallende Schnee, der durch Seifenblasen erzeugt wird, sorgen für eine dichte Atmosphäre. Und besonders schön gelangen Grit Walther die Kostüme der Zauberer, die den Aktionen eine bildhafte Kraft geben. Andreas Rehschuh hat seiner Inszenierung einen angenehmen Rhythmus verliehen. Es findet kein Überaktionismus statt. Der Wechsel von temperamentvollen und heiter-komischen Szenen zu den nachdenklich-stillen geschieht ganz natürlich und unaufgeregt. Zum Gelingen der Aufführung gehört auch die farbenreiche Musik von Gundolf Nadico.
Man spürt, dass sich die Darsteller in dieser Inszenierung wohlfühlen. Juliane Götz‘ Sternchen, das das Sterben der Großmutter und damit die Welt nicht mehr versteht, ist trotzig, neugierig, doch auch liebevoll. Die junge Schauspielerin gibt ihrer Rolle das rechte Maß an unbekümmertem Temperament und Nachdenklichkeit. Alexander Weichbrodt vermag mit Herzlichkeit den Vogel ohne Flügel, der sich Sternchen als Freund beweist, zu spielen. Rita Feldmeier muss vier unterschiedliche Rollen verkörpern: die Großmutter und die drei Zauberer. Mit körperlicher Vitalität und lustvollem Spiel werden sie von der Schauspielerin köstlich ausgefüllt. Da kann man immer nur wieder ins Staunen kommen. Oben auf dem Himmelsthron haben es sich die Sonne und der Mond gemütlich gemacht. Durch ihr Teleskop beobach- ten sie plauderend das Treiben der Menschen und den Wechsel der Jahreszeiten. Toll, wie Elzmarieke de Vos die beiden Himmelskörper vor allem sprachlich charakterisiert.
Eine starke und berührende Inszenierung, denen man viele Zuschauer wünscht, vor allem Kinder und ihre Eltern.
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