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Kultur: „Alles, was wir dort lieben“

Der Valsella-Chor aus dem Trentino war im Alten Rathaus zu Gast

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Hohe Berge, tiefe Täler und trotzdem jede Menge Süden – so präsentiert sich der Trentino dem sonnenhungrigen Nordlicht gerne. In diesem Teil von Südtirol wird italienisch gesprochen, man hält auf Tradition. Im Valsugana-Tal heißt Tradition vor allem bewahrendes Singen, denn nicht wenige Volkslieder sollen dort entstanden sein.

Auf Einladung der Brandenburgischen Gesellschaft der Freunde Italiens „Il Ponte“ gab der berühmte Valsella-Chor am Sonntagabend ein Konzert in Potsdams. Angekündigt wurde er als „Alpenchor aus dem Trentino“, aber sein Repertoire griff ostentativ nach Europa. Er wurde bereits 1936 gegründet und konzertierte seitdem preisgekrönt in aller Welt, und nun auch im Theatersaal im Alten Rathaus. Volles Haus bis in die letzten Reihen, ein höchst ambitioniertes Publikum, dessen eine Hälfte offenbar die Sprache der Gäste verstand – das konnten nur die Leute von Il Ponte sein. Begrüßungsreden von beiden Seiten, Dank und Glückwunsch der Offiziellen, wozu von trentinischer Seite nicht nur der Chor-Präsident zählte, sondern auch die Bürgermeisterin vom Tal der vierzig Sänger – Beifall bereits für die wohlgemeinten Worte aus dem Saale jede Menge.

Mit dem knapp zweistündigen Konzert wollte der Valsella-Chor seine Heimat vorstellen, „Kultur und Schönheiten unseres Landes, alles, was wir dort lieben“, wie Chor-Präsident Elio Dandrea sagte. So hörte man zum Beginn mit „Lino al Trentino“ auch gleich die Hymne dieses Gebiets, so schlicht und schön wie die Dolomiten selbst, mit leichtem Echo-Effekt. Überhaupt zeichnete sich das mitgebrachte Liedgut eher durch interpretatorische (Stimmführung) als durch kompositorische Finessen aus. Man sang kräftig und immer direkt. Musikalische Unisoni waren sehr häufig, aber viele Lieder waren auf den starken Kontrast zwischen Basso-Begleitung und Diskant-Melodie aufgebaut, nicht nur beim weltberühmten „La Monta Nada“. Sie erzählten von Emigrantenschicksalen, von Liebe und Begehren, von Vergangenheit und Zukunft. So verschließt eine Mutter ihrem eigenen Sohn die Tür, weil sie ihn nach zwanzig Jahren Ausland nicht wiedererkennt. Traurig. In Sachen Amore scheinen die Trentiner ihren südlicheren Landsleuten in nichts nachzustehen, aus „Jovanni“ erfuhr man, dass die Kutscher in jedem Ort ein Mädchen hatten, „La pastora“ im „typisch italienischen Sound“ berichtet von einem Greis, der einer schönen Hirtin mit den Worten nachjagt, er sei zwar alt, könne aber seinen Pflichten dennoch ungebremst nachkommen.

Die Sänger machten unter der Leitung von Ferdy Lorenzi einen sehr gediegenen, gleichsam bodenständigen Eindruck. Gute Stimmen, technisch integer, allerdings wirkten manche Vorträge nicht gerade locker, gelegentlich hörte man ein kühles Klirren im Ton. Das dortige Volkslied steht dem deutschen Verständnis offenbar ziemlich fern, vielleicht wegen des anderen Gemüts.

Immer wieder waren fremde Beiträge in den Ablauf gewebt, ein Vocalise-Stück aus Serbien, etwas aus der Ukraine, aus Böhmen. „Secreato“ erinnerte an die Zeit, als der Trentino (bis 1918) noch zu Österreich-Ungarn gehörte und eine Eisenbahn gebaut wurde – das Personal hielt es damals wie jene Kutscher – ein kräftiger, schöner Vortrag, etwas dünn allerdings die Solostimme im Diskant. Zum Ende dann eine politische Fassung von Schillers „Ode an die Freude“, wo „Europa“ gesagt und Europa gemeint wurde. Einigkeit zwischen Bühne und Parkett auf der gesamten Linie, fast euphorischer Beifall.

Gerold Paul

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