Kultur: Alles zu gefällig. Ohne Bedeutung
Das Seefestival Wustrau wartete auf neuer Seebühne mit Fontanes „Oceane“ auf
Stand:
Vor der eigentlichen Vorstellung tragen der Intendant, der Dichter und der Schauspieler einen Disput aus. Der Intendant hat hauptsächlich ausverkaufte Vorstellungen und volle Kassen im Sinn. Der Bühnenautor hingegen schert sich einen Dreck um Abendkasse und Publikumsgunst. Sein Werk muss anspruchsvoll sein. Und der Komiker gibt praktische Tipps, wie man ein Publikum unterhalten kann, notfalls auch ohne Dichter. Streng genommen wäre jeder einzelne für sich das Ende und der Ruin der Bühne. Zusammen aber machen sie Theater erst möglich. Der Theaterdirektor fasst das in einer Frage zusammen: „Wie machen wir''s, dass alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei?“ Das Vorspiel aus Goethes Faust könnte man wohl jederTheaterinszenierung voran stellen.
Also auch beim Wustrauer Seefestival. Marten Sand, Hans Teuscher und Rudi Lenk haben es am Schloss launig vorgetragen, als Präludium zum Hauptwerk des Abends. Gespielt wurde „Oceane“, das Marten Sand nach einem Romanfragment von Theodor Fontane geschrieben hat. Zu Hilfe nahm man, weil Geschichte und Text sich als nicht sehr tragfähig für eine Theaterfassung erwiesen, Texte aus anderen Fontane-Romanen. Den Roman für „Oceane“ skizzierte Theodor Fontane 1882, ohne ihn zu vollenden. Die Wasserfrau, die Melusine, interessierte ihn immer wieder.
„Oceane“ wurde am Ufer des Ruppiner Sees und auf der Seebühne gespielt. Während der dreijährigen Geschichte des Seefestivals, das von Marten Sand aus der Taufe gehoben wurde, wurde nun im See eine Bühne installiert. Eine einzigartige Naturkulisse, der man sich nicht entziehen kann. Leider ist die Seebühne zu weit vom Publikum entfernt, so dass man der Personnage des Stückes leider nicht in die Gesichter schauen konnte. Nur in Umrissen waren sie erkennbar. Schade.
Oceane (Angela Reinhardt) kommt mit ihrer Mutter (Christiane Ziehl) in eine kleine Stadt. Sie wollen sich dort ansiedeln. Doch die Bürger, vor allem die Kirchen-Obrigkeit, nehmen die beiden Frauen nicht in ihre Mitte auf, zu unterschiedlich sind die Lebensvorstellungen der Alteingesessenen gegenüber den beiden Fremden – ein aktuelles Thema. Ein junger Mann, Baron von Dircksen, verliebt sich jedoch leidenschaftlich in Oceane. Der Privatdozent Dr. Felgentreu , der in früheren Jahren ein Verhältnis mit der Mutter Oceanes hatte, ist bemüht, eine sich anbahnende Katastrophe zu verhindern. Vergebens. Oceane sieht keinen Ausweg, sie geht ins Wasser.
Autor und Regisseur Marten Sand hat gemeinsam mit der Choreographin Gesine Ringel versucht, die noch nicht ausgegorene Geschichte Fontanes in einem Wechselspiel von Schauspiel und Ballett zu erzählen, in einem eindrucksvollen Bühnenbild von Mathias Zágon Hohl-Stein, der die Seebühne in eine Stadt verwandelte, deren Häuser aus Eis sind, und in sehr treffsicheren Kostümen von Ulrike Stelzig Schaufert.
Zunächst wird lange Zeit über Oceane und andere Begebenheiten schwadroniert. Symbolhaft die Standorte der Erzählenden: Baron Dircksen (Markus Born) im Elfenbeinturm, Dr. Felgentreu (Hans Teuscher, der hier eher als hervorragender Rezitator denn als Schauspieler zur Geltung kam ) auf einem zerklüfteten Felsen sowie der „Bösewicht“ Pastor Baltzer (Rudi Lenk) am Seeufer. Er gibt sich als Angler. Insgesamt wird zuviel deklamiert und moralisiert. Die Geschichte will sich kaum erschließen. Dsa Schlimmste ist, sie wird von fast unübertoffenem Pathos und Kitsch überdeckt.
Die Titelrolle hat man einer Tänzerin übertragen, teilweise auch die Rolle des Baron Dircksen (Alexander Teutscher). Er kommt immer dann zum Einsatz, wenn leidenschaftliche Liebe aufflammt. Angela Reinhardt und Alexander Teutscher tanzen fulminant. Doch die meisten Tanzeinlagen zur ungewohnt softigen Musikwiedergabe von Pink Floyd hätten eher in einer Revue ihre Berechtigung gehabt. Ein Ende des Theaterabends wollte und wollte sich fast nicht herstellen. Wie schön, wie eindrücklich still wäre es gewesen, wenn nach den letzten Worten Felgentreus: „Der Tag ging, ein anderer kam, Oceane war fort“ die Bühnenlichter ausgingen. Aber nein, Kitsch flammte verstärkt auf: Lichter im Wasser, liebliche Worte, Feuerwerk, dröhnende Musik ... Dies war alles zu gefällig. Jedoch ohne Bedeutung.
Beim Schlussapplaus verkündete Marten Sand lauthals , wie großartig die Darsteller Angela Reinhardt und Hans Teuscher sind. Als ob die Zuschauer, dies nicht selber sahen und hörten.
Klaus Büstrin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: