Kultur: Allgemeine Bewunderung
Briefwechsel von Kronprinz Friedrich und Voltaire im Kutschstall
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Briefwechsel von Kronprinz Friedrich und Voltaire im Kutschstall Von Gerold Paul Philosophen und Throne passen so wenig zueinander wie Männer und Frauen. Hält letztere Liebe zusammen, so jene Freundschaft, fast jeder Kerl weiß solche Brüderschaft zu schätzen. So dachten wohl auch Kronprinz Friedrich und sein französisches Widerspiel Voltaire, als sich beide, in schwärmerischer Hochachtung füreinander, seit 1736 fernpostalisch hofierten: Ersterer als ein dem „ingenieusen Autor“ lernbegierig lauschender König in spe, der Franzose, weil er, von aktuellen Aufklärungsgedanken getrübt, den Hohenzoller als ein Objekt seines Einflusses erkannte: Was wäre besser als ein König im Geiste Rousseaus! Das späte Finale hieß Abstand, Frustration, doch ein Rest an Respekt blieb zurück, wie sich das für Männer solchen Kalibers gehört. Den berühmten Briefwechsel zwischen Friedericus und Voltaire hatte die spürsinnige Konzertagentur Barbara V. Heidenreich schon 1994 zu einem Leseprogramm berühmter Namen gestaltet, mit Dieter Mann als spitzzüngigen Franzosen und dem eher bedachten Gunter Schoss, der Deutsche. Einmal lief es im hiesigen Schlosstheater, viel öfter in anderen Städten, wo man der deutsch-französischen Verbindlichkeit zu lauschen fast hundertmal begierig war. Anlässlich der Eröffnung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gab es im Kutschstall nun endlich eine Potsdamer Reprise. Mehr als 150 Gäste waren gekommen, den exzellenten Künstlern zu lauschen, enorm. Über dem Ereignis wurde der außeruniversitären Forschungsförderung gedacht, was sich parterre als etwas störendes Schurren bemerkbar machte, der Ton im Raume selbst war gut. Über 42 Jahre korrespondierten die beiden, von ferne besser als von nahem. Als Kronprinz war Friedrich in seiner „geliebten Zurückgezogenheit“ von dem Metaphysiker Christian Freiherr von Wolf angetan, doch schon 1736 nannte er Voltaire seinen „Meister“. Na gerne doch: Käme erst die Bildung, dann der Thron, so könnte Friedrich gar „von aller Welt geliebt“ werden, schrieb dieser zurück, ein Fehlurteil offenbar. Schon bei der Thronbesteigung machte sich der Einfluss des Franzosen bemerkbar, bei der Krönung verzichtete der Rex, völlig unüblich, auf eine Salbung. Dafür stockte er sofort die Streitkräfte auf, baute als „Liebhaber der Muse“ die Berliner Oper, schuf die Akademie, um aus dem spartanischen Erbe seines Vaters ein Athen zu machen. Guter Gesellschaft begierig, drängte der König auf den Besuch Voltaires, versprach generöse Bedingungen, sogar eine „Jungfrau zu seinem Gebrauch“, doch als dieser sich wegen eines Todesfalles verzögerte, wurde der Hohe Zoller verstimmt. Der französische Feingeist aber verwunderte sich, im Sommer 1750 von den Langen Kerls recht „deutsch“ empfangen zu werden. Es wurde nichts, als „praktizierender“ Philosoph und erklärter Freund des Königs mischte sich Voltaire immer wieder in Staatsangelegenheiten ein, welche ihn „nichts angingen“. 1753 hatte der Aufklärer genug. Um seine Flucht zu tarnen, bat er um Heimaturlaub, und als Friedrich ihn durchschaute, weil er selbst einmal vor seinem Vater floh, türmte er bis Frankfurt / Main. Dort nahmen ihm die „rohen Kerls“ alles ab, was den König kompromittieren könnte, auch Teile des Briefwechsels. Ein beiderseitiges Leiden hatte ein Ende. Nicht litten die Zuschauer im einstigen Parkhaus für Kutschen, deren eines als stählerne Silhouette davor steht. Dieter Mann und Gunter Schoss gaben ihre Parts ganz unaufwändig von einem kleinen Podest herunter, ersterer mit wohlmoduliertem Sarkasmus, der zweite in schnurrender Gleichmut. Es gab viel Heiterkeit im Saal, sehr schön. Und zwei Epiloge, welche die Verstimmtheit der beiden Männer gegeneinander aufhoben. Man war älter und reifer geworden, aber auch von Krankheit gezeichnet, das stimmt milder. 1773 wünschte Voltaire dem Potsdamer postalisch „Glück“, Friedericus antworte: „Ich werde bis an mein Lebensende Ihr Genie bewundern“. Die Zuhörer hingegen bewunderten die Darstellungskraft der prominenten Schauspieler sehr, mit Recht. Wo sich Thron und Philosophie einst so mächtig kreuzten, da sei auch die Heimat dieses klugen Programms, vielleicht gar als „ständige Leihgabe“ in einer Brandenburgisch-Preußischen Dauerausstellung?
Gerold Paul
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