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Kultur: Als würden Spinnenbeine über Saiten tanzen

Gerhard Kastner auf dem Clavichord im Kammermusiksaal Havelschlösschen

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Wie lange doch die Ohren brauchten, bis sie diesen Klang annahmen, das überraschte bei diesem Konzert doch am stärksten. Ein feiner und so leiser Klang, als würden haarfeine Spinnenbeine über die Saiten tanzen. So als hätte jemand ein Cembalo unter einer großen Decke versteckt, auf dass die Töne nur gedämpft, fast ein wenig verschluckt herüberklingen. Das Tasteninstrument Clavichord stand am Donnerstag im Mittelpunkt des ausverkauften Konzerts im Klein Glienicker Kammermusiksaal von Christiane Gerhardt und Tilman Muthesius. „Dieses einsame, melancholische, unaussprechlich süsse Instrument“, wie der Musiker Gerhard Kastner aus Schubarts „Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst“ aus dem Jahr 1785 zitierte. Eine Zeit, wo dieses Haus- und Übungsinstrument durch den empfindsamen Stil eine kurze Blüte erlebte.

Kastner, über 80 Jahre alt und „einer der ersten und glühendsten Verfechter der historischen Aufführungspraxis in Berlin“, wie es in der Ankündigung hieß, spielte neben Kompositionen von Johann Sebastian, Wilhelm Friedrich und Carl Philipp Emanuel Bach auch erste „Clavierstücke“ von Wolfgang Amadeus Mozart, die dieser im Alter zwischen sechs und acht Jahren komponiert hatte. Diese acht „Clavierstücke“ spielte Kastner fast zum Ende des gut einstündigen Konzerts. Es waren diese Kompositionen Mozarts, bei denen sich die Ohren endlich für dieses eigenwillig-zarte, so zurückhaltende Instrument öffneten. Und man wünschte sich, dass er jetzt noch einmal die das Konzert eröffnenden drei kleinen Präludien aus dem „Notenbüchlein für Wilhelm Friedemann“ intonieren würde. Denn einem musikalischen Malen mit blassen Wasserfarben gleich, war sein Spiel auf dem Clavichord. Die Nuancen so fein, die Gestaltung so zerbrechlich, das jeder Fehlgriff gnadenlos wirkte. Doch Kastner machte kein Hehl aus manchem Patzer, entschuldigte sich gar dafür beim Publikum. Doch das wollte von solchen Schuldbekenntnissen nichts hören, dafür aber mehr Musik auf diesem einsamen und melancholischen Instrument. Dirk Becker

Dirk Becker

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