Kultur: Alte Kirche – von jungen Leuten erbaut
Arbeiten von Christian Heinze zur Garnisonkirche in der Ausstellung „Fragmente und Visionen“
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Arbeiten von Christian Heinze zur Garnisonkirche in der Ausstellung „Fragmente und Visionen“ In seinem Atelier nimmt die Garnisonkirche schon recht konkrete Gestalt an. Zahlreiche, farbkräftige Skizzen dieses barocken Prachtbaus hängen an den Wänden und geben eine Vision vom zweiten Leben des 1968 gesprengten Gotteshauses. Seit über 13 Jahren quert das geschichtsbeladene Bauwerk immer mal wieder das Schaffen des Potsdamer Malers Christian Heinze. „Ja oder Nein“ steht auf einem 1992 von ihm gemalten Blatt und spiegelt die innere Zerrissenheit der Künstlers angesichts der damals aufkeimenden Diskussion um den Wiederaufbau. Auch heute sei er mitunter noch im ganz leisen Zwiespalt, obwohl er mit seinen Bildern durchaus sehr kräftig in den „Ruf aus Potsdams“ einfällt. Ab 11. April sind Christian Heinzes Visionen gemeinsam mit Architektur-Fragmenten am Standort der ehemaligen Garnisonkirche in einer Ausstellung zu sehen. Der Schatten der Vergangenheit nimmt dabei auch in seinen Werken sinnliche Gestalt an. Für den gebürtigen Dresdner ist das Symbol des Wiederaufbaus durch ganz eigene Erinnerungen genährt. Er war dabei, als die Frauenkirche in Schutt und Asche fiel. „Damals war ich vier Jahre alt. Vor allem weiß ich noch, wie wir jahrelang an Geisterhäusern vorbei gingen, von denen nur noch die Fassaden standen. Und ich war jedes Jahr dabei, wenn sich die Dresdner am 13. Februar auf dem Theaterplatz trafen und die Forderung ,Nie wieder Krieg“ unterstützten. Etwas von diesem Pazifismus ist bis heute hängen geblieben“, so Christian Heinze, der bei dem Bombenangriff die Großeltern verlor. Zwei Jahre wohnte er bereits in Potsdam, als er die Sprengung der Garnisonkirche miterlebte. „Ich bin oft an der Kirche vorbei gegangen, um mir bei Schukat in der Breiten Straße Farben zu kaufen. In unserem Verband Bildender Künstler gab es damals die interne Diskussion, ob man in der Kirchenruine ein Freilichtmuseum für Skulpturen errichten könnte. Doch dann kam die Stadtverordnetenversammlung und besiegelte den Abriss. Verbandskollege Siegfried Lachmann gehörte zu den wenigen, die die Zivilcourage hatten, dagegen zu stimmen.“ Die meisten Potsdamer hätten den Beschluss einfach so hingenommen. „Schließlich wurden ihnen Wohnungen versprochen und eine breite Straße – schön für“s Autofahren. Man glaubte zudem, dass mit dem Wegradieren der Kirche auch der Tag von Potsdam verschwunden sei, was natürlich ein Trugschluss war.“ Heinze zeigt sich vor allem begeistert von der wohl bemessenen Architektur der Kirche, die oft in kleineren sakralen Bauten nachempfunden wurde. Und er stellt sich wie andere auch die Frage: Was kann das Bauwerk für den Missbrauch durch die Nazis? 1992 zeichnete er zum ersten Mal die Garnisonkirche – für den jährlichen Heinze-Kalender. Anlässlich der 1000-Jahr-Feier Potsdams wollte er auf Dinge aufmerksam machen, die unter der Erde sind: wie der Stadtkanal, das Stadtschloss und eben die Garnisonkirche. „Geschichte hat mich schon zu DDR-Zeiten interessiert. Schließlich ging meine Heimatstadt kaputt, mein Vater blieb im Krieg – da muss man irgendwann Fragen stellen.“ Die Resonanz auf seine Grafiken hielt sich damals noch in Grenzen. Erst 1996, als über den Traditionsverein Potsdamer Glockenspiel die Diskussion um den Wiederaufbau angeheizt wurde, wuchs auch das Interesse an seinen Arbeiten, die er durch das Projekt „Spurensuche in Potsdam“ forcierte. Eine ganze Parade bedeutender Männer ließ er darin aufmarschieren: Schinkel, Knobelsdorff, den Alten Fritz und auch den letzten Kaiser. Sie dienten als gedankliche Repliken, um Risse in der Stadtgeschichte bildkünstlerisch umzusetzen. Im vorigen Jahr kam dann Hans P. Rheinheimer, Vorsitzender der Fördergesellschaft für den Aufbau der Garnisonkirche in sein Atelier und bat ihn, das Plakat für den „Ruf aus Potsdam“ zu gestalten. Nun kniete er sich richtig in die Thematik rein. Es folgte der Auftrag, Skizzen für das Nutzungskonzept der Kirche als Versöhnungszentrum einzubringen. Für ihn ein emotionales Vorempfinden im imaginären Raum, dem konkrete Zeichnungen von Architekten folgen müssen. Vor allem der Gedanke einer „Bauhütte“ reize ihn, wenn er an den Wiederaufbau denke: „Man könnte alle Gewerke mit jungen Leuten aus ganz Europa besetzen, die nach der Lehre ein Jahr am Wiederaufbau mit arbeiten, und somit an der Kirche lernen – eine Kirche, die von der Jugend gebaut wird und die mit ihr alt wird. Denn der Aufbau wird über Generationen dauern. So aber bleibt Geschichte nicht in Schablonen stecken, sie wird greifbar. Ich möchte keine Dinge konservieren. Eine alte Kirche – geschaffen durch junge Menschen von heute, das wäre der Clou.“ Er glaubt, dass die Potsdamer durchaus noch mitgerissen werden, aber vielleicht brauche es Zeit, die Gedanken wachsen zu lassen. „Der Schatten liegt nicht in der steinernen Architektur, er liegt auf uns, tun wir alles, damit er nicht unsere Seelen und Herzen zerstört“, schrieb Heinze auf einem seiner ausdrucksstarken Bilder. Heidi Jäger
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