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Kultur: Altes in neuen Bildern

Die Potsdamer Künstlerin Tinka Scharsich stellt aus

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Ein verwaschenes schwarz-weißes Foto mit einem kleinen Jungen, der stolz eine Zuckertüte trägt. Eingebettet ist die nostalgische Aufnahme in erdig-getragene Farben und wirkt dadurch noch unschärfer. Ein melancholisches Standbild der Vergangenheit in einem neuen Bild: Es sind solche Bezüge zwischen einst und heute, mit denen die Potsdamer Künstlerin Tinka Scharsich spielt. Rund 30 ihrer Arbeiten werden zur Zeit unter dem Titel „Fundstücke“ im Öko-Café Kieselstein im ehemaligen Werner-Alfred-Bad in der Innenstadt ausgestellt.

In ihren Collagen verwendet sie nicht nur alte Fotos. Auch rostige Hausnummernschilder oder schlichte Hölzer finden sich zwischen den gedeckten Farben, die Tinka Scharsich hauptsächlich nutzt. Farbenfreude sieht anders aus. Doch gerade deswegen wirken die Bilder: Ein schlichtes Rostgitter und zwei dahinter liegende Brauntöne reichen aus, den Verfallsprozess Leben zu beschreiben. Ein anderes häufig auftauchendes Motiv ist der Kreis, sei es als Metalring oder schlicht gemalt: Ein Synonym für die Unendlichkeit von Wachsen und Vergehen?

Die Künstlerin selbst möchte über ihre Gedanken und Assoziationen für die Werke nur wenig sagen: „Ich finde es spannend, scheinbar wertlose oder vergessene Dinge in einen neuen Zusammenhang zu stellen und ihnen damit wieder einen neuen Sinn zu geben.“ Der neue Blick auf Altes solle auch zeigen, dass nicht jede scheinbar unnütze Sache sofort in den Müll wandern müsse – ein Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft und ihrer schnelllebigen Philosophie.

Die Materialien für ihre Arbeiten findet Tinka Scharsich denn auch zum Beispiel auf Müllhalden oder Hausböden. „Bei einer Wohnungsauflösung in Babelsberg habe ich beispielsweise ein Fotoalbum gefunden“, sagt sie. Viele der Bilder daraus konnte sie dann für die Collagen verwenden – ein Glücksgriff, weil die historischen Aufnahmen viel Atmosphäre vermitteln und hervorragend zu den zurückhaltenden Farben der einfach gehaltenen Arbeiten von Scharsich passen. Denn was wird der kleine Junge mit der Zuckertüte damals wohl gedacht haben? Und wie ging es weiter mit ihm? Dies weiß auch Tinka Scharsich nicht. Doch die düsteren Farben um das Kind herum lassen ahnen, dass sein Schicksal in den Augen der Künstlerin kaum besonders glücklich gewesen sein kann – und selbst ein noch so stolzes Kinderlächeln eben nur ein flüchtiger Augenblick ist.

Henri Kramer

Die Ausstellung „Funstücke“ ist täglich bis Mitte Februar immer zwischen 10 und 18 Uhr im Café Kieselstein in der Hegelallee 23 zu besichtigen.

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