Kultur: Am Rockzipfel
Brandenburger Bräute diskutieren Rituale
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Frauen kommen unter die Haube und Männer unter den Pantoffel. Die Haube wird mancher Braut auch heute noch als Hochzeitsbrauch aufgesetzt, wenn sie um Mitternacht den Schleier abgetanzt hat. Der Mann trägt dann eine Zipfelmütze. Allein in Brandenburg sind mehr Hochzeitsrituale zu entdecken, als bei jeder Hollywoodhochzeit. Eines der ältesten Rituale sind die so genannten Brautbäder. Im 14. Jahrhundert ging die versammelte Hochzeitsgesellschaft ins Badehaus und teilte sich, je zu zweit einen großen Waschbottich. Von Geschlechtertrennung keine Rede. Zudem wurde in der Mitte ein Brett auf den Bottichrand gelegt, auf dem dann Speisen serviert wurden.
Wer sich am vergangenen Mittwochabend im Haus der Generationen und Kulturen am Schlaatz einfand, um einen Vortrag mit dem Titel „Brautbäder und andere Hochzeitsrituale“, zu hören, wartete jedoch vergeblich auf eine Aufzählung weiterer kurioser Hochzeitsrituale. Auch waren ungefähr genauso viele Zuhörer versammelt, wie Vortragende und Kuratoren anwesend.
Die als offene Diskussionsrunde geplante Veranstaltung, gehörte zum Begleitprogramm rund um die Ausstellung „Brandenburger Bräute“ im Bürgerhaus. Der Standort am Schlaatz ist von den Organisatoren bewusst gewählt. Mit den Veranstaltungen soll auch der interkulturelle Dialog im Stadtteil gefördert werden. Als Sprecher waren eine Ethnologin und zwei Vertreter christlicher Kirchen eingeladen. Die jüdische Gemeinde hatte ihre Zusage wieder zurückgezogen. Bedauerlich. Sonst hätte es vielleicht andere Rituale zu besprechen gegeben, als die verschiedenen Varianten der Ringübergabe vor dem Altar in der katholischen, der evangelischen Kirche und der Pentecostal Church, einer freikirchlichen Pfingstgemeinde. So erinnerte die Runde insgesamt eher an ein Seminar für Eheanwärter. Neben so öden Themen wer sich wie und warum vor dem Altar trauen lassen kann und wie die Eheberatung in den verschiedenen Konfessionen geregelt ist, kamen die eigentlichen Brautriten viel zu kurz. Da schien es passend, als eine Zuhörerin Tolstoi sinngemäß mit den Worten zitierte, der Mensch schaffe sich seine Rituale selbst.
Wer mehr darüber erfahren möchte, welcher Aberglaube besagt, dass der Bräutigam die Braut über die Schwelle tragen muss, damit sich keine bösen Geister an ihrem Rockzipfel festhalten, sollte in der Ausstellung selber nach Antworten suchen. So erzählt die Kuratorin Susann Hellemann, dass sich eine Hochzeit noch vor 50 Jahren, von Region zu Region sehr stark voneinander unterscheiden konnte. Die Ehrenpforte, ein mit Blumen und Initialen geschmückten Bogen für das Brautpaar, findet man nur in wenigen Regionen, zum Beispiel in der Niederlausitz. „Das sich die Hochzeitszeremonie vereinheitlicht hat, das ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg passiert“, verrät Susann Hellemann. Sie hat zusammen mit Lothar Binger vom Archiv historische Alltagsfotografie aus 300 000 Fotos, diejenigen ausgesucht, die nun in der Ausstellung „Brandenburger Bräute“ im Bürgerhaus zu sehen sind. Gezeigt werden Hochzeitsbräuche in Brandenburg seit dem Mittelalter bis heute, illustriert mit den Fotos und Stichen, aber auch mit Modellen, Kleidern und begleitenden Geschichten. Undine Zimmer
„Brandenburger Bräute“ ist bis zum 16. November im Bürgerhaus, Schilfhof 28, und im Haus der Generationen und Kulturen, Milanhorst 9, zu sehen. Infos zum Begleitprogramm unter Tel.: (0331) 55 041 69
, ine Zimmer
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