Kultur: An den Eiern liegt“s
Ein kleiner Akustik-Spaziergang durch Potsdamer Theater, Konzersäle und Kirchen
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Mit der Akustik haben wir es in unserem täglichen Alltag ständig zu tun. Sie gehört zur Grundlage zwischenmenschlicher Kommunikation. Doch auch in Konzertsälen und Theatern möchte man, dass Sprech- und Singstimmen sowie Instrumente bis in die letzte Reihe gut zu hören sind. Denn davon hängt schließlich ein nachhaltiges künstlerisches Erleben ab.
Groß war die Freude, als das Hans Otto Theater vor zwei Jahren eine neue Spielstätte am Tiefen See erhielt. Doch wie enttäuschend, als man bei der ersten Aufführung des Schauspiels „Katte“ die Schauspieler selten bis in die letzten Reihen verstand. Leider sind bis heute die Vorstellungen von diesem Akustik-Dilemma geprägt. Eine Nachhallzeit von 1,5 Sekunden ist zu lang. Also benötigt man Oberflächen, die den Schall schlucken, damit keine unerwünschten Halleffekte entstehen, welche die Verständlichkeit und damit den guten Eindruck stören können.
Beispiele für gelungene Fälle von lebendiger Akustik gibt es in antiken Amphitheatern. Die Griechen machten sich bestimmte Gesetzmäßigkeiten der Akustik zunutze. Da es noch keine Verstärker gab, mussten die Erbauer durch Ausnutzung der Reflexion dafür sorgen, dass selbst ein leise gesprochenes Wort in einer Aufführung in der letzten Reihe zu hören war.
Die Kirchen dagegen haben eine völlig andere Akustik. Beispielsweise konstruierte man in der Gotik sehr hohe, steinerne Räume mit wenig schallschluckenden Elementen. Dadurch entstand eine akustische Situation mit viel Hall, in der große Chöre und Orgelmusik besonders zur Geltung kommen können, wenn die geeigneten Werke in dem Raum musiziert werden. Doch die Kirchen wurden von ihren Bauherren nicht als Konzertsäle gebaut. Auch Schinkels klassizistische St. Nikolaikirche auf dem Alten Markt nicht. Schon bei der Einweihung im Jahre 1837 stellte man in Anwesenheit König Friedrich Wilhelms III. fest, dass das Gotteshaus als Predigtraum fast unbrauchbar ist. Der Prediger war nur auf der rechten Seite des Schiffes aus nächster Nähe verständlich. Ein Flüsterecho beeinträchtigte zudem die Akustik in hohem Maße. Noch 1855 meinte der damalige Generalsuperintendent Wilhelm Hoffmann: „Der erste und stärkste Übelstand in der größesten Gemeinde der Stadt ist die schlechte Akustik in der Nikolaikirche“. Die Probleme mit dem Nachhall wollte man von Anfang an beheben, beispielsweise mit einem Hanfnetz im Kuppelring, mit dem Anbringen von plastischen Kassetten mit Stuckrosetten, mit der Verlängerung des Schalldeckels der Kanzel. Auch beim Wiederaufbau in den siebziger Jahren der 1945 zerstörten Kirche versuchte man durch schalldämpfende Maßnahmen die lange Nachhallzeit zu begegnen. Aber St. Nikolai bleibt in Sachen Akustik kompliziert, vor allem für Ensembles und Dirigenten, die mit ihr erstmals konfrontiert werden.
Dagegen wies das 1909 gebaute Gemeindehaus von St. Nikolai in der Hoditzstraße, heute Wilhelm-Staab-Straße, eine insgesamt gelungene Akustik auf, auch nach seiner Vergrößerung im Jahre 1934 als Konzertraum, der nunmehr Nikolaisaal genannt wurde. Besonders nach 1945 und bis in die sechziger Jahre hinein, galt er als das Musikzentrum Potsdams. Seine ausgezeichnete, immer durchhörbare Akustik machte ihn vor allem für Soloabende, Kammerkonzerte zu einem idealen Raum. Kritisch wurde es aber, wenn ein großbesetztes Orchester musizierte. Dann klang es hier stets etwas mulmig. Mit solchen Schwierigkeiten hat auch der im Jahre 2000 eröffnete neue Nikolaisaal zu kämpfen, wenn Werke von Anton Bruckner oder Gustav Mahler, die große Sinfonieorchester verlangen, erklingen. Musik dieser Komponisten hört man demzufolge kaum in dem Konzertsaal. Das Raumvolumen ist dafür zu gering.Von einer edlen und und reinen Akustik wird er jedoch beherrscht, wenn beispielsweise ein Kammerorchester mit 30 Musikern auf der Bühne spielt. Der Architekt Rudy Ricciotti hat viel Augenmerk auf einen guten Nachhall gelegt. Seine aus Gips geformten weißen Klangdiffusoren, auch Eier, genannt, vollbringen akustische Wunder. Diese ungewöhnlichen architektonischen Details lösten bei der Eröffnung so manche Diskussionen unter den Besuchern aus. Ohne Klangeier können dagegen die Friedens- und die Erlöserkirche, zwei bevorzugte Konzerträume in Potsdam, auskommen. Hier haben die Architekten die „richtigen Ohren“ für einen trefflichen Nachhall gehabt.
Das Hans Otto Theater war seit 1949 kaum gesegnet mit akustisch gut ausgestatteten Räumen. Das Theater in der Zimmerstraße blieb auch in dieser Hinsicht ein Provisorium. Dennoch hatte man hier immer wieder große Opern und Sinfonien gespielt: Wagners „Der fliegende Holländer“ und „Das Rheingold“beispielsweise. Für das Schauspiel war die Akustik schon eher geeignet. Weniger die Blechbüchse, die 1992 das Haus in der Zimmerstraße ablöste. Auch hier musste jeweils ein schallschluckendes Bühnenbild her, um den blechernen Tönen Paroli zu bieten. Der Einbau einer Musikmuschel (1993) gab der Brandenburgischen Philharmonie die Möglichkeit, mit etwas mehr klanglichen Glanz aufzuwarten. Nun konnte man auch mit Mahler aufwarten. Dann gibt es noch das Schlosstheater im Neuen Palais. Trotz der königlichen Atmosphäre fehlt auch hier der Akustik die Brillanz. Der schwere Samt der Sitzplätze verhindert dies, vor allem in musikalischer Hinsicht. Er ist eher ein Raum für Schauspieler.
Und nun baute der bekannte Kölner Architekt Gottfried Böhm ein neues Theater für Potsdam. Trotz mancher Schönheiten in der äußeren Architektur, sind die akustischen Verhältnisse zumeist unerfreulich. Um diesen Missstand zu ändern, sollte er selbst mit herangezogen werden. Sein beleidigter Widerhall in puncto Bemühungen der Stadt Potsdam den Schaden zu beheben, ist unangebracht.
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