
© Manfred Thomas
Kultur: Angepasst sind sie alle nicht
Die Potsdamer Autorin Jana Frymark sucht einen Verleger für ihre Frauen-Protokolle
Stand:
Eigentlich hätte sie sich selbst auch befragen müssen. Der Vollständigkeit halber. Mit ihrer Biografie hätte sich Jana Frymark problemlos in die Reihe ihrer Interviewpartnerinnen einordnen können, neun Frauen im Alter von 20 bis 85 Jahren, die mit ihren Gedanken zum Thema Mutterschaft das Material zu Jana Frymarks – vielleicht und hoffentlich – erstem Buch lieferten.
Jana Frymark, 36, stammt aus Potsdam-West. Das ist ihr Kiez, hier lebt sie immer noch mit ihren vier Kindern und Ehemann in einer der immer weniger werdenden Altbauwohnungen, die noch nicht komplett durchsaniert sind und sich sogar noch eine Familie leisten kann, die zeitweise von staatlicher Unterstützung leben muss. „Ich will weg von Hartz IV und von meiner Arbeit als Autorin leben können“, sagt sie bei einem Rosentee, während das jüngste ihrer Kinder vertrauensvoll auf dem Schoß des Gastes sitzt. Die Kleine wird bald müde sein, dann schaukelt Jana Frymark das Kind in einem Tragetuch in den Schlaf.
Diese unkomplizierte Herangehensweise findet sich auch in ihrer Arbeit wieder. Selbst geschrieben hat sie lediglich das Vorwort des Manuskripts, das derzeit noch in der virtuellen Schublade ruht. Der Hauptteil sind Protokolle der Interviews, die sie mit „ihren“ Frauen geführt hat. Streng genommen sind das vielmehr Monologe, sie hat die Frauen erzählen lassen. Das Aufnahmegerät lag auf dem Tisch, sie hat zugehört. „Spuren hinterlassen. Gespräche mit Müttern“ sind die sortierten, in einen Kontext zueinander gestellten Wortmeldungen, in denen es um das Thema Mutterschaft geht. Das Mutterbild der Öffentlichkeit habe meist nichts mit dem zu tun, was jede einzelne bei sich beobachtet, spürt. „Es ging mir um die Persönlichkeit der Frau, ihr ganz eigenes Muttersein. Wie bin ich Mutter? Das war mir wichtig.“ Jana Frymark selbst hat ihre eigene Rolle auch erst nach einer gewissen Zeit gefunden. Sie wollte „gut für das Kind sein – aber wie macht man das?“, fragte sie sich.
Bei diesem Findungsprozess haben ihr die Gespräche mit den Frauen geholfen. „Wir sind uns letztlich doch alle ähnlich, wenn diese Erkenntnis rüberkommen könnte, das wäre schön“. Sie findet es schlimm, dass es unter Müttern statt dessen so oft ein Konkurrenzgebahren gibt. „Wir können so unglaublich hart uns selbst und anderen gegenüber sein“, sagt Jana Frymark.
Liest man die Protokolle, meint man die Frauen reden zu hören. Jana Frymark hat die Sprache mit all ihren mundartlichen und grammatikalischen Verwerfungen original gelassen. So entstanden sehr ehrliche, uninszenierte Gedankenströme, die sich teilweise verselbstständigen. Frauen berichten über ihre eigene Kindheit, die Beziehung zur Mutter. Über ihre Partner, Kinderwunsch und sogar über Totgeburten. Und immer wieder über den Alltag, wie ihn jede kennt, ihn aber allzu oft hinter der eigenen Wohnungstür versteckt. „Angepasst sind die alle nicht“, sagt sie nüchtern und gleichzeitig liebevoll.
Sie weiß schließlich selbst, wie das ist, worüber die reden: Den scheinbaren Widerspruch von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung, wie ihn viele Mütter erfahren und aussprechen, hat auch Jana Frymark gespürt. Nach gescheiterten Aus- und Weiterbildungen „kamen erstmal die Kinder“. Zwischendurch nahm sie sich sporadisch Zeit für Einzelprojekte, entdeckte ihr Talent zum Schreiben von Musiktexten und inszenierte in ihrem Wohnviertel das von ihr geschriebene Hinterhof-Musical „Der göttliche Nachbar“. Im Sommer las sie auf einem Literaturfest aus ihren Frauenprotokollen und das positive Feedback, von Frauen und Männern, bestärkte sie darin, nach einem Verleger zu suchen.
Der muss nun gefunden werden. Gern würde sie aus dem Buch eine Serie machen: Paare ihre Kennenlerngeschichte und Menschen über ihre Suche nach dem Glauben erzählen lassen. „Wenn Sie mich anrufen wollen, dann am besten per Handy, ich bin oft in meinem Atelier“, sagt sie zum Abschied. „Da bin ich Künstlerin – hier nur Mutti“. Diese überraschende Wortwahl mit dem hauchzarten ironischen Unterton lässt erahnen, dass sie sich vielleicht selbst noch nicht sicher ist, wo die Reise hingeht. Aber sie ist unterwegs.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: