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Kultur: Ansteckende Spiellaune

Konzert des Landesjugendsinfonieorchesters Brandenburg in Erlöserkirche

Stand:

Zwitschern die Jungen schon, wie die Alten sungen? Im Falle des Landesjugendsinfonieorchesters Brandenburg jedenfalls klingt es schon ganz schön erwachsen. Mit ihrer Begeisterung und (Arbeits-)Lust an wohlgerundeten Klängen, ihrem Können und spielerischen Eifer lassen sie manch gestandenen Klangkörper ganz schön alt aussehen. Bei ihren Auslandsauftritten firmiert die ehrgeizige Truppe werbewirksam als Junge Philharmonie Brandenburg, was ihrem gewachsenen Niveau die vortrefflichste Kennzeichnung gibt. Sie strahlen voller Freude, wenn ihnen, wie am Sonntag beim traditionellen Adventskonzert in der proppevollen Erlöserkirche, knifflige Passagen gut gelingen. Und das geschieht oft.

Ihr Enthusiasmus steckt an. Das zu großen Teilen erfreulich junge und unkonventionelle Publikum lässt sich bereitwillig in gefühlvolle Stimmungen bringen, auch wenn die Stückauswahl nicht unbedingt dem adventlichen Anlass zu entsprechen scheint. Oder gehört Igor Strawinskys „Pulcinella“-Ballettsuite, geschrieben im neoklassizistischen Stil, mittlerweile dazu?! Unter der konzentrierten Zeichengebung von Peter Aderhold, seit Jahren versiert im Umgang mit jungen Musikern, führen diese mit leichter und sicherer Hand vor, dass ihnen Klarheit und Sachlichkeit der Vorlage keine emotionalen Hürden darstellen. Selbst die anmutigsten Missklänge (aus Komponistenhand) spielen sie mit vortrefflicher Genauigkeit. Dem Skurrilen bis Grotesken sind sie detailverliebt auf der Spur, doch wissen sie auch mit vollmundigem, weichgetöntem, quasi ausgewachsenem Sound zu begeistern. Was zur Folge hat, dass nach jedem Satz sich immer wieder einige Hände zum Beifall rühren. Doch die Bereitschaft dazu ebbt erfreulicherweise ab. Nach der präzise gespielten Tarantella, der trompetenumstrahlten Toccata, dem deftig ausgespielten „Vivo“ (Posaunen, Kontrabässe und Violoncelli!) und auftrumpfendem Finale brandet er umso stärker.

Auf die Kammerorchesterbesetzung folgt mit Mozarts selbstbearbeiteter Harmoniemusik aus seiner „Zauberflöte“ ein Instrumentalensemble aus je zwei Oboen, Klarinetten, Fagotten und Hörnern nebst einem Kontrabass, das sich im versiertem Miteinander den Koloraturen der Königin der Nacht genauso intonationssauber annimmt wie der in düsteren Farben gemalten Feuer- und Wasserprüfung sowie dem freudigen Finale. Nur noch zu Fünft erscheinen dann Musiker – der ersten Pulte – um Franz Schuberts Adagio aus dem C-Dur-Streichquintett op. 163 zu spielen. Allerdings fehlt es hier der Primaria noch an jener klanglichen Souveränität und intimen Redelust, um das musikalische Gespräch sicher zu führen. Im leidenschaftlichen Trioteil dagegen herrscht gestalterisches Einvernehmen, gefällt der Instrumentalisten sehr direkter, voluminöser Klang. Schade, dass einigen im leisen Abgesang die Intonation wegrutscht. Dennoch: ein mutiger Ausflug ins Intime.

Mit der „Nussknacker“-Ballettsuite von Peter Tschaikowsky rundet sich das pausenlos absolvierte Adventskonzert, bei dem die Musiker schließlich in Großbesetzung antreten, ab. Nach dem akkurat, aber klanglich kaum ausschweifend gespielten Marsch aus den Danses charactéristiques geht es dann richtig zur Sache. Charmant und detailgenau tanzt die Zuckerfee ihr Solo, stampft der russische Trepak auf, zeigt sich der Danse arabe quasi mit laszivem Hüftwiegen, trippelt es ihm Danse chinois leichtschrittig mit fernöstlicher Grazie. Schwelgerisch, leider mit mehrfachem Hörnerfauxpas, tönt der Blumenwalzer. Da ist das Landesjugendsinfonieorchester Brandenburg ganz bei sich angekommen. Tatsächlich: wie die Alten sungen, so zwitschern wirklich schon die Jungen. Der Beifall tobt.

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