Kultur: Antisemitismus bei Johannes Lepsius? Diskussion am Freitag im Lepsius-Haus
Die Aussagen scheinen eindeutig. So schrieb Johannes Lepsius „das jüdische Volk hat ja Mittelalter und Neuzeit als Parasit der Germanen überdauert“.
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Die Aussagen scheinen eindeutig. So schrieb Johannes Lepsius „das jüdische Volk hat ja Mittelalter und Neuzeit als Parasit der Germanen überdauert“. Und dann ist da noch seine Bezeichnung der Regierung der Bolschewiki als „jüdische Mongolenherrschaft von Lenins 'goldener Horde'“. Johannes Lepsius, der evangelischer Theologe und Orientalist, der das Armenische Hilfswerk gründete und wie kein anderer ab 1915 versuchte, eine europäische Einflussnahme zur Verhinderung des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich zu erreichen. Seine Berichte informierten über die Massaker und Todesmärsche, denen bis zu 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen. Johannes Lepsius, der Humanist und „Schutzengel der Armenier“ also ein Antisemit?
Ist so ein Vorwurf erst einmal in die Welt gesetzt, hält er sich hartnäckig, sagt Rolf Hosfeld. Und wird schnell und gern weitergetragen. Hosfeld, wissenschaftlicher Leiter im Potsdamer Lepsiushaus will mit seinen Worten nicht relativieren. Er will nur hinterfragen und gleichzeitig dazu auffordern, genauer hinzuschauen. Denn seit einer kleinen parlamentarischen Anfrage der Linken im Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2008, in der auch die Förderung durch Bundesmitel für das Potsdamer Lepsiushaus hinterfragt wurde und einschlägigen Veröffentlichungen des ehemaligen „Spiegel“-Redakteurs Wolfgang Gust steht der Vorwurf des Antisemitismus von Johannes Lepsius im Raum.
„Wie so oft sind auch die Zitate von Johannes Lepsius aus dem Zusammenhang gerissen“, so Hosfeld. In der Reihe „Johannes Lepsius – Facetten seiner Biografie“ soll nun am kommenden Freitag, dem 23. September, im Lepsius Haus am Pfingstberg die Frage diskutiert werden: „Antisemitismus bei Johannes Lepsius?“ Neben Olaf Glöckner vom Moses Mendelsohn Zentrum Potsdam und Hans-Lukas Kieser, Professor an der Universität Zürich, wird auch Manfred Aschke, Professor an der Universität Gießen und Enkel von Lepsius erwartet. Gemeinsam wollen sie zeigen, dass bei genauer Betrachtung dieser seltenen Äußerungen von Lepsius über die Juden „als Teil seiner zeitbezogen christlich-zionistischen Weltsicht und seiner messianischen Erwartungen“ zu lesen sind. Dirk Becker
Am Freitag, dem 23. September, um 19 Uhr im Lepsiushaus Potsdam, Große Weinmeisterstraße 45. Der Eintritt ist frei
Dirk Becker
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