Mirjams Siegesgesang. Man muss schon „bibelfest“ sein, um zu wissen, was sich hinter diesem Text verbirgt. Der Programmzettel der Atrium-Serenade des Vocalkreises Potsdam am vergangenen Samstagabend gab keinerlei Informationen preis. Nur so viel:, Franz Schubert hat das Werk für Sopran, Chor und Klavier komponiert. Also muss man sich auf Suche nach Hintergrundinformationen machen. Franz Schubert schrieb die Musik 1828 auf einen Text des Dichters Franz Grillparzer. Es wurde eines der letzten Werke Schuberts. Die Uraufführung erlebte er selbst nicht mehr, sie fand während der Einweihung seines Grabdenkmals im Jahre 1888 statt.
Grillparzer führt mit seiner Dichtung in das Alte Testament. Dort wird im zweiten Buch Mose von der Befreiung Israels aus der ägyptischen Gefangenschaft und die wunderbare Rettung am Schilfmeer berichtet. Mirjam, die Prophetin, stimmt mit den Frauen ein Triumphlied an: „Lasst uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.“ Lyrisch und festlich klingt der Siegesgesang, hin und wieder mischt sich Dramatisches und Pathetisches ein, das aber nie überhöht wirkt. Anmut von A bis Z. Schuberts zweites Oratorium ist insgesamt bescheidener und weniger gedankentief als sein erstes, das die Geschichte von Lazarus erzählt. Der Vocalkreis unter der Leitung von Matthias Jacob gab Mirjams Siegesgesang mit schönem runden Klang und lebendiger Gestaltung. Doch von der Solistin Ada Belidis, die über einen warmen Sopran verfügt, der sich besonders in der Höhe weit aufschwingt, war in puncto Ausdruck überhaupt nichts zu vernehmen, genauso wie bei der Interpretation der Lieder der Mignon von Robert Schumann. Allzu sehr distanziert wirkte ihre Interpretation. Dadurch fehlte insgesamt ein pulsierender Schwung. Am Foerster-Flügel war der sehr anpassungsfähige Mirlan Kasymaliev zu hören.
Den gelungensten Beitrag der Serenade gab es gleich zu Beginn. Der Vocalkreis sang mehrstimmige Sätze von Johannes Brahms, bei denen von romantischer Naturbetrachtung und Liebesgedanken die Rede ist. Neben der Textverständlichkeit wurde hierbei die Gefühlswelt des Komponisten wunderbar ausgesungen, voller Farben und Stimmungen. Davon hätte man sich an diesem Abend mehr gewünscht.Klaus Büstrin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: