Kultur: Auch Hoffnung und Freude
Das Freiburger Barockorchester musizierte zum Karsamstag im Nikolaisaal
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Auf welch hohem Niveau das Freiburger Barockorchester musiziert, konnte man wieder in einem Konzert am Karsamstag im Nikolaisaal erleben. Es gehört nach wie vor zu den Spitzenorchestern unseres Landes. Sein Musizieren zwischen Karfreitag und Ostersonntag war geprägt von ernster-meditativer Stimmung, doch auch von Hoffnung und Freude. Die Werkauswahl sollte von diesen beiden Ereignissen geprägt sein.
Als Solisten verpflichtete das Freiburger Barockorchester den jungen norwegischen Bariton Johannes Weisser, der sich vor allem in Deutschland einen Namen gemacht hat und von dem man sicherlich auch international noch hören wird. Man machte die Bekanntschaft mit einer ausgesprochen lyrischen Stimme, die geschmeidig und butterweich ist und fast zerbrechlich wirkt. Gewiss, er hat keine üppige Stimme, aber er füllte vor allem mit seiner Art, sich zu präsentieren, den Saal immer aus.
Zunächst sang Johannes Weisser die Bach-Kantate Nr. 82 „Ich habe genug“, die der Komponist für den Weihnachtsfestkreis 1727 komponierte. Der unbekannte Textdichter hat die biblische Geschichte von Simeon zum Ausgangspunkt des Werkes gemacht. Der alte Simeon erkennt in dem Kind Jesus den Messias, als Maria mit ihrem Sohn den Tempel besucht. Nun, so Simeon, sei sein Leben erfüllt und er könne er „mit Freuden“ sterben. Vor allem die so berührend-bewegende Arie „Schlummert ein, ihr matten Augen“ der Kantate wird heute gern von Sängern, auch von Sängerinnen, in der Passionszeit gesungen. Die Kantate hat aber mit der Leidenszeit Jesu nichts zu tun. Und dennoch, man vernahm im Nikolaisaal einen weitgehend exquisiten Hörgenuss. Ließ Johannes Weisser in der ersten Arie noch ein paar klare Konturen vermissen, so wusste er im Laufe der Kantate überzeugend differenziert zu singen, mit einer sehr ergreifenden Emotionalität. Später waren von dem Bariton die Lamentationes II, die Jan Dismas Zelenka, der Leiter und Komponist der Kirchenmusik am Dresdner Hof Augusts des Starken, für den Karfreitag schrieb, zu hören. Knappe Rezitative, in denen die mahnenden Worte des Propheten Jeremias mit affektvollen „Intermezzi“ wechseln, die Zelenka in den textgliedernden hebräischen Buchstaben fand. Johannes Weisser wusste auch die „Lamentationes“ kultiviert zu singen und einprägsam zu gestalten, doch hätte er dem Ganzen eine noch größere Wirkung geben können, wenn er den eindringlichen Mahnungen mehr eindringliche Härte gegeben hätte.
Das Freiburger Barockorchester unter der Leitung der Violinistin Petra Müllejans begleitete die Bachkantate und das Zelenka-Werk überaus aufmerksam und gab dem musikalischen Geschehen einen großen Reichtum an dynamischen und artikularischen Nuancen. Schon bei der berührenden Begegnung mit der anfangs musizierten Fantasia c-Moll BWV 562, eine Transkription von Torsten Johann nach einem Bach-Orgelwerk, wurde das hervorragende technische und musikalische Können des Kammerorchesters hörbar. Expressiv, fast modern, spielten seine Musiker das meditativ fließende Werk, durchleuchteten es so, dass es für Musiker und eine Spannung wurde auch Bachs berühmtes Konzert d-Moll BWV 1060R für Violine, Oboe und Streicher gebracht, in dem die mit viel Körpereinsatz agierende Konzertmeisterin Petra Müllejans und die Oboistin Ann Kathrin Brüggemann (sie war schon bei der Bach-Kantate Weissers wunderbare Musizierpartnerin) als Solistinnen auftraten.
Sie zeigten sich technisch und gestalterisch als souveräner Teil des Ensembles, brillierten durchaus individuell, jedoch nicht als Selbstzweck auf Kosten von Musik und Kollegen. Bachs Musik wurde von ihnen in größter Frische und Dringlichkeit zu Gehör gebracht. Dies kann man auch von der von ihnen gespielten Sonate c-Moll von Johann Gottlieb Goldberg, einem Zeitgenossen Bachs, sagen. Ein frohmachendes Stück in einer beglückenden Interpretation.
Der Beifall am Ende des Konzerts war herzlich und langanhaltend. Als Zugabe musizierten Johannes Weisser und das Freiburger Barockorchester die Arie „Mache dich, mein Herz bereit“ aus Bachs Matthäuspassion mit tiefem Einfühlungsvermögen. Klaus Büstrin
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