Kultur: Auf Crashkurs
Andreas Dresen und Axel Prahl erzählten im Thalia über ihren neuen Film „Willenbrock“
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Andreas Dresen und Axel Prahl erzählten im Thalia über ihren neuen Film „Willenbrock“ „Das Leben muss ja weiter gehen, nich?“, sagt Willenbrock und die Tränen laufen über seine Wangen. Wird der strahlende Siegertyp, der den Erfolg für sich gepachtet zu haben schien, nach der Berührung mit dem Tod je wieder zur alten Form auflaufen? Mit dieser Frage entlässt Andreas Dresen seine Zuschauer. Und diese sind am Dienstag zuhauf ins Thalia gekommen, um nicht nur den Film „Willenbrock“, sondern auch dessen Regisseur Andreas Dresen und seinen Hauptdarsteller, den spitzbübischen Charmeur Axel Prahl, hautnah zu erleben. Wie Kumpels aus der Nachbarschaft stehen sie völlig unverkrampft auf der Bühne im vollbesetzten großen Saal und haben im Handumdrehen die Kluft zum Publikum übersprungen. Obwohl die Romanverfilmung bereits in allen Medien besprochen und in zahlreichen Interviews beleuchtet wurde, hatten die Zuschauer durchaus noch Informationsbedarf. So fragten sie nach der persönlichen Berührung Axel Prahls mit dem Tod. Da kommt der wahrlich nicht auf den Mund gefallene Schauspieler für einen Moment doch ins Stottern: Na klar, sei der Tod für jeden, der geboren ist, ein ständiger Begleiter. Und er erinnert an einen Freund und Kollegen, der gerade erst auf Hiddensee erfroren ist. „Mitten aus dem Leben gerissen“, heiße es dann lakonisch in der Anzeige. Für die meisten sei das Elend immer das Elend der anderen. Man sitze in der Stube, schaut im Fernsehen, wie die Luft brennt, und verzehre dabei seine kleinen Stüllchen, so Dresen. „Das Thema Sterben wollen wir nicht zu dicht an uns ran kommen lassen.“ Auch Willenbrock nicht – bis er ganz existentielle Dinge am eigenen Leib erfährt und bei einem Einbruch durch zwei Russen um sein Leben rennt. „Am Ende ist er nicht mal mehr fähig, einen Karpfen zu töten. Von seiner anfänglichen Dickfälligkeit ist nicht viel übrig geblieben.“ Dresen, der das erste Mal einen Roman verfilmte, zog Christoph Heins Nachwendegeschichte in die Gegenwart. „Für uns war es interessant, einen Charakter zu erzählen, der in den ,blühenden Landschaften“ angekommen ist: Mit Häusern, Frauen, Geld.“ Es gebe durchaus erhebliche Unterschiede zur Vorlage, und so übergab Dresen die letzte Fassung mit feuchten Händen an den Autor: „Hein schrieb mir darauf hin einen bezaubernden Brief: Es gebe bei Romanverfilmungen zwei Stolpersteine, man entferne sich zu sehr von der Vorlage oder bleibe zu dicht dran. Beides sei nicht passiert. Als Axel Prahl das Drehbuch zum ersten Mal las, empfand er seine Figur als ein „totales Arschloch“. „Trotzdem musste ich ihn sympathisch zeichnen, sonst entsteht ja keine Fallhöhe. Schließlich sollte er am Ende ja geläutert sein.“ Andreas Dresen hingegen hatte ein einfaches Rezept, um die Figur nicht zu negativ erscheinen zu lassen: „Ich besetzte Axel Prahl“ – den „Vorzeige-Ossi“ aus dem Westen, meint er amüsiert. Auch an ihm hefte das Ost-Markenzeichen, so der Potsdamer. „Komischerweise gibt es aber keinen Westregisseur. Aber man erzählt eben die Geschichten, die man am besten kennt – und die spielen nun mal in Ostdeutschland, ohne deswegen nur ostdeutsche Geschichten zu sein.“ Und das gelingt bei dem in Magdeburg gedrehten „Willenbrock“ durchaus: Es ist die kleine Geschichte um einen Autohändler, der es auf Kosten anderer zu etwas gebracht hat und natürlich die Begehrlichkeiten armer Schlucker weckt. Aber es ist auch eine Geschichte, die signifikant für die immer mehr auseinander driftende Welt von Arm und Reich stehen könnte. Ob Willenbrock am Ende wirklich gelernt hat für sein Leben? „Ich wage es zu bezweifeln“, meint Dresen. In der sehr berührenden Schluss-Szene steht der einsam gewordene Held eng umschlungen mit seiner endlich revoltierenden Frau – ratlos weinend im strahlenden winterlichen Weiß, das mit gnädiger Geste die Taten bedeckt. Heidi Jäger
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