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Kultur: Auf das Klopapier kommt es an

Es hätte ein so schöner Abend werden können. Freitag, das Wochenende winkt, ein Glas Wein und Mozarts Requiem „perlte“ aus den Boxen.

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Es hätte ein so schöner Abend werden können. Freitag, das Wochenende winkt, ein Glas Wein und Mozarts Requiem „perlte“ aus den Boxen. Dann kurz vor Mitternacht ein Anruf einer jungen Frau, die Hilfe braucht. Es geht um Geld, sehr viel Geld. Genau: 2,173 Millionen Euro. Siegfried Gass wird schwach und das Chaos bricht über ihn herein.

Siegfried Gass, Mitte Vierzig, ist Privatdetektiv. Potsdams einziger Privatdetektiv, wie er in dem Roman „Hundeleben“ des Potsdamer Autors Wolfgang Zander immer wieder betont. Sein Büro liegt in der Friedrich-Ebert-Straße, in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Kino Melodie. Beruflich und auch privat könnte es besser laufen. Kaum Aufträge und seine Frau Cleo hat sich auch von ihm getrennt. Doch Gass versucht das mit einiger Gelassenheit hinzunehmen, besser gesagt mit einer Coolness, wie man sie von einem Privatdetektiv zu erwarten hat.

Dann kommt besagter Anruf mit den 2,173 Millionen Euro, dann steht das Kino Melodie in Flammen, Gass rettet einer Frau das Leben, die dann plötzlich verschwunden ist. Er wird zum Verdächtigen in Sachen Brandstiftung, soll einem Lokaljournalisten einen Stalkerin vom Leib halten, geht mit seiner Mandantin ins Bett, findet eine Leiche und später noch eine. Gass wird von eifersüchtigen Männern verfolgt, dem neuen Liebhaber seiner Frau blamiert, gerät kurzzeitig in die Fänge eines ehemaligen NVA-Majors, klaut Geld und bedroht Polizisten mit seiner Pistole. Egal, welchen Schritt er in welche Richtung auch immer macht, immer tiefer gerät der ach so clevere Privatdetektiv in den Schlamassel.

Der 52-jährige Zander, Autor von Hörspielen und Theaterstücken, erzählt mit Tempo, Ironie und knallharten Dialogen. In bester Hard-boiled Tradition treibt Zander die Fälle von Gass auf die Spitze und zum gnadenlosen Countdown. Je hanebüchener sich das alles dabei entwickelt, umso besser scheint sich Zander gedacht zu haben. Nur leider verpufft dieses skurrile Geflecht von Verwicklungen, Querverbindungen und überraschenden Volten dann doch recht banal und lässt den Leser kopfschüttelnd zurück ob der letztendlich doch arg notdürftig gestrickten Hintergründe zu den verschiedenen Fällen. Selbst Privatdetektiv Gass geht einem bald ziemlich auf die Nerven.

Er ist ein ganz cooler Hund, das wird schnell klar. Auch in haarsträubendsten Situationen hat er immer einen flotten Spruch parat. Dass er sich dann oft genug auch reichlich dämlich anstellt, macht ihn nur sympathisch. Doch die ständigen Monologe über die Schlechtigkeit der Welt und der Menschen und die ständige bildungsbürgerliche Wissensprotzerei, wo selbst bei einem Zeitungsbericht über Klopapier und verstopfte Toiletten Verbindungen zu Oscar Wilde hergestellt werden, wirkt arg ermüdend.

Am Ende, wenn Gass dem Tod entronnen ist und von den 2,173 Millionen Euro einen Teil abgezweigt hat, bleibt die Frage, was Wolfgang Zander denn eigentlich erzählen wollte. Einen rasanten und ironiesatten Krimi im beschaulichen oder das weniger ansprechende Portrait eines gescheiterten Privatdetektivs? Weder das eine noch das andere ist „Hundeleben“ geworden. Dirk Becker

Wolfgang Zander: Hundeleben, Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2008, S. 278, 9, 90 Euro

Dirk Becker

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