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Kultur: Auf dem richtigen Weg

Das T-Werk wird zehn Jahre und feiert ab Freitag mit einem Jubiläumsprogramm

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„Würdest Du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll“, fragt Alice die Grinsekatze. „Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin Du möchtest“, bekommt sie daraufhin zur Antwort.

Auch die T-Werker standen vor zehn Jahren an einer unübersichtlichen Kreuzung. Vor allem das finanzielle Desaster machte ihren Weg holprig und verstellte ihnen die Aussicht. Da keine helfende Katze wie in ihrer Inszenierung „Alice im Wunderland“ in Sicht war, befragten sie sich selbst: Wohin weiter, wenn ABM-Stellen wegbrechen und es keine stetige Förderung gibt?

Damals hießen die Theatergruppen noch DeGater“87, StückWerk und Havarie. Sie saßen zwar unter einem Dach – dem des Waldschlosses – und teilten sich teure Technik. Ansonsten spann aber jeder seinen eigenen Theaterfaden.

DeGater rettete seine Anfänge aus DDR-Zeiten an der Pädagogischen Hochschule (PH) über die Wende hinüber und sorgte vor allem mit seinen experimentellen, zeitgenössischen Theaterangeboten und seinem Unidram-Festival für Furore. Auch StückWerk wurde als DDR-Kind an der PH geboren und sattelte weiter im semiprofessionellen Bereich auf. Einzig Havarie ist ein Nachwende-Produkt, obwohl es schon durch Westberliner Inszenierungen der „Roten Grütze“ am damaligen Hans Otto Theater im Geist angelegt war. Aufklärungsstücke wie „Was heißt hier Liebe?“ und „Darüber spricht man nicht“ hatten es durch ihre freie Art, Tabuthemen anzusprechen, nicht leicht, sich auf dem Spielplan durchzusetzen: Die Potsdamer Regisseurin Martina Ruge ließ indes nicht locker und sorgte dafür, dass Kinder im Theater ganz ungeniert mit ansehen durften, woher sie eigentlich kommen. 1992 verabschiedete sie sich von den festen Strukturen des Hans Otto Theaters und brachte Themen wie Magersucht und Hausbesetzer als „Havarie“ auf die freie Bühne im Waldschloss. Inzwischen setzt die ehemalige „Rote Grütze“-Frau Ingrid Ollrogge diese Mitten-im-Leben-Geschichten im T-Werk erfolgreich fort.

Obwohl jeder Weg für sich seine Berechtigung hatte, führte er in die Sackgasse. „Wir alle hatten keinen richtigen Haushalt, um Stellen zu finanzieren.“ Erst als sich die drei Gruppen unter der Dachmarke T-Werk vereinten, erhielten die einzelnen Projekte mehr Gewicht und vor allem eine stete Betriebskostenförderung. Nunmehr gaben Stadt und Land ihren Obolus dazu: insgesamt 215 000 Euro im Jahr. „Allerdings ist die Struktur noch nicht vollständig abgesichert, müssen wir auch mit unseren fünfeinhalb Mitarbeitern immer noch jonglieren“, so Jens-Uwe Sprengel. „Für Unidram müssen wir wenigstens zehn Förderer finden, das ist der reinste Krampf. Und auch für die anderen künstlerischen Produktionen geht nichts ohne zusätzliche Geldgeber.“

Doch der Aufwärtstrend scheint unaufhaltsam, spätestens seit dem Umzug in die Schiffbauergasse: anfangs in das Provisorium Reithalle B, 2006 auf den Schirrhof und damit am Ziel. Die Besucherzahlen honorieren den eingeschlagenen Weg, denn schließlich haben sie sich seit 1998 fast verdoppelt. An die 24 000 Zuschauer kamen im vergangenen Jahr in die 296 angebotenen Veranstaltungen. „Und in diesem Jahr legten wir weiter zu“, so Sprengel. Auch das sei ein Grund, zehn Jahre T-Werk ab Freitag eine Woche lang mit zahlreichen eigenen und Gastinszenierungen zu feiern. „Das Zusammenwachsen war allerdings ein langer Prozess, und es hat bestimmt fünf Jahre gedauert, bis Synergien eingetreten sind“, erinnert sich Schauspielerin Franka Schwuchow. Doch heute kann sich T-Werk als eines der größten freien Theater im Land Brandenburg bezeichnen, das für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen Inszenierungen bereit hält. Und unter der Leitung von Yasmina Ouakidi und ihren Gruppen „Scharfe Sterne“ und „Havarie Light“ auch Themen junger Leute mit jungen Leuten theaterpädagogisch hautnah beackert.

Natürlich muss immer wieder für Leuchttürme gesorgt werden, um die Neugierde im Publikum wach zu halten. Und die strahlten gerade in diesem Jahr heller denn je. Das gerade zu Ende gegangene 14. internationale Unidram-Festival verzeichnete an allen Abenden ausverkaufte Vorstellungen. Der Name, der noch auf das einstige Studententheater zurückgeht, sei zwar überholt, aber er könnte ja auch für universell stehen, so Franka Schwuchow. „Und inzwischen hat wohl die meisten Potsdamer die Kunde erreicht, dass bei Unidram professionelles Theater aus aller Welt gezeigt wird.“

Bei der großen Geburtstagsfeier am Freitag, zu der alle Förderer und Freunde eingeladen sind, wird auch auf die zurückgelegte Wegstrecke geguckt: allerdings mit einem Augenzwinkern. Bekannte Bühnenfiguren aus einigen der mittlerweile 60 T-Werk-Inszenierungen werden als Gratulanten erwartet: darunter sicher auch Alice, die am Ende ihren Weg findet.

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