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Von Dirk Becker: Auf dem Weg ins Weiße Haus
Helge Schneider, die singende Herrentorte, kommt nach sechs Jahren wieder nach Potsdam. Annäherung an ein äußert komisches Phänomen
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Nun auch noch das! Jahrelang haben wir uns an dem verqueren Humor Helge Schneiders erfreut, diesem Sprachzerzauser und Geschichtenbanausen. Immer in dem Glauben, dass dieser Künstler nur uns gehört. Ein Phänomen, das nur auf den deutschsprachigen Raum beschränkt ist. Denn nur hier könne man dem wirren Erzählstrom, dem Nonsenklamauk eines Helge Schneiders folgen. Davon waren wir fest überzeugt. Doch weit gefehlt. Und natürlich brauchte es den Meister wieder selbst, um uns davon in Kenntnis zu setzen, dass die „singende Herrentorte“ mittlerweile auch eine ansehnliche internationale Fanschar hat. Selbst Barack Obama soll dazugehören.
Helge Schneider macht keine große Sache daraus, dass der Präsident der Vereinigten Staaten zu seinen Verehrern gehört. Mehr durch Zufall hat er davon erfahren, als ihn seine Schwester um ein Autogramm bat. „Meine Schwester ist Putzfrau im Weißen Haus. Ein Superjob, sagt sie. Sie hat Obamas Zimmer schon mehrmals gesaugt. Die Blumen sind aus Plastik, sagt sie, soll aber keiner wissen. Er hat ihr mal eine CD mitgegeben, ich solle sie signieren, er ist ein Fan. Sagt sie.“
So beschreibt Schneider das in seiner Biografie „Bonbon aus Wurst. Mein Leben“, die in diesem Jahr bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Manchen Leser mag es verwundern, dass Helge Schneiders Schwester in Los Angeles, also an der Westküste lebt und zum Putzen im Weißen Haus nach Washington an die Ostküste reisen muss. Die Entfernung zwischen den beiden Städten beträgt knappe 4300 Kilometer. Aber wie Helge Schneider selbst schreibt: „Na ja, Amerika.“
„Bonbon aus Wurst. Mein Leben“ ist schon die zweite Biografie, die das Multitalent Schneider auf den Markt gebracht hat. „Guten Tach. Auf Wiedersehn. Mein Leben, Teil I“ hieß sein erster Lebensbericht, erschienen im Jahr 1992. Doch ist „Bonbon aus Wurst. Mein Leben“ nun nicht als zweiter Teil seiner Lebenserinnerungen zu verstehen. Dieses Mal hat Helge Schneider reinen Tisch machen wollen. Sein Vorbild ist ein Politiker, der, aus welchen Gründen wohl auch immer, seine Memoiren verändert haben soll. Für Helge Schneider Anlass genug, um den eigenen Lebenslauf noch einmal zu überdenken. Denn was er in „Guten Tach. Auf Wiedersehn. Mein Leben, Teil I“ geschrieben hat, habe „aufgrund meines damaligen Zeitmangels und meiner Beschränktheit zum größten Teil auf erfundenen Lügenmärchen“ basiert, so Schneider im „Mein Leben pur“ überschriebenen Vorwort zu seiner aktuellen Biografie.
Willkommen im Schneiderschen Kosmos!
Dieser Mann ist ein Chaot, die Spontanität in Person. Geschichten werden erzählt, weil sie Spaß machen, so einfach ist das. Was nicht zusammen passt, wird passend gemacht. Und je hanebüchener das klingt, umso besser. Helge Schneider ist ein Münchhausen. Stehgreifprosa könnte man nennen, was er in seinen zahlreichen Büchern und seinen Lieder fabuliert. Ein Musiker, der den Jazz liebt und irgendwann damit anfing, das Improvisieren, die Spontanität in dieser Musik auch auf die Sprache zu übertragen.
„Musik machen, Leute zum Lachen bringen, Quatsch machen, Fantasie“, hat Schneider in einem Interview sein Künstlerkonzept genannt. Im Grunde folgt er dabei seit Jahren einem ganz einfachen Prinzip. Helge Schneider macht, ob in seinen Büchern oder auf der Bühne, immer das, was eigentlich gar nicht geht, was man sich eigentlich gar nicht trauen dürfte, wovor der logische Menschenverstand kapitulieren muss. Und er hat damit Erfolg.
Die Geschichten in seinen Büchern nachzuerzählen macht keinen Sinn, weil die so sprunghaft und durchgedreht sind. Da empfiehlt sich schlicht und einfach das Selbststudium. Genauso ist es mit der Musik, den Auftritten des 53-Jährigen. Diese bizarre Show, die Helge Schneider in seinen fatalen Anzügen, mit seinem Grimassenwahnsinn, diesem Gestakse und Gesinge immer wieder liefert. Und wenn man erlebt, wie dieser gestandene Mann auf der Bühne Lieder wie „Katzeklo“ oder den „Buttersong“ zelebriert und man einer von Hunderten ist, die sich köstlich über diesen Schwachsinn amüsieren, versteht man, was die Faszination an diesem Nonsensbarden ausmacht. Helge Schneider. Man muss einfach dabei sein!
Auf Seite 35 von „Bonbon aus Wurst. Mein Leben“ ist eine Eintrittskarte für ein Konzert mit Frank Sinatra abgebildet. Am 6. Juni 1993 hat Helge Schneider diesen großen Entertainer auf dem Roncalliplatz in Köln erlebt. Natürlich erzählt Helge Schneider, der große Sinatra-Verehrer, in seiner Biografie von diesem Konzert und zeigt wie zum Beweis die Eintrittskarte. Doch wie so oft steckt viel mehr dahinter. Das ist ein klares Signal!
Die Karte zum Sinatra-Konzert hatte einen stolzen Preis von 384,85 Mark. Sollte Barack Obama wirklich ein Fan von Helge Schneider sein, wird die „singende Herrentorte“ sicher auch bald im Weißen Haus spielen. Schließlich macht seine Schwester danach sauber. Der Auftritt wird Schneiders Marktwert enorm steigern und die Karten für diesen Kerl werden nicht mehr bezahlbar sein. Also: Chance jetzt nutzen und Helge Schneider im Volkspark besuchen. Dort spielt er am Dienstag, sechs Jahre nach seinem Auftritt beim Potsdamer Jazzfestival. „Wullewupp Kartoffelsupp“ ist sein aktuelles Tourneeprogramm überschrieben. Noch Fragen?
Helge Schneider ist mit „Wullewupp Kartoffelsupp“ am Dienstag, 4. August, auf der Parkbühne im Volkspark, Nedlitzer Straße, zu erleben. Karten kosten 35, 55 Euro. Die PNN verlosen heute um 11 Uhr unter der Telefonnummer (0331) 23 76 116 2x2 Freikarten
Dirk Becker
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