Kultur: Auf einer Wellenlänge
Annette Strathoff im stimmungsvollen Hinterhof von „Feuer und Flamme“
Stand:
Die Sonne verfängt sich in dem Rippengeflecht der Bilder. Sie kokettiert mit den warmen Erdtönen, schält die Strukturen plastisch heraus. Gern tritt man ein in diese Farblandschaften, die den wenig prosaischen Titel „Boden – Grundlagen des Lebens“ tragen. Sie erinnern an übereinander gelagerte Gesteinsschichten, wie sie Baggerzähne im Tagebau freischaufeln. Annette Strathoff beherrscht die Kunst des Täuschens. Man muss schon sehr nahe an ihre Arbeiten herantreten, um ihr auf die Schliche zu kommen. Die seit drei Jahren in Potsdam lebende Künstlerin veredelt graue Wellpappe zu Fantasiegiganten, die in dem Kerzen- und Leuchtereldorado von „Feuer und Flamme“ trefflich neue Lichter setzen.
Wolfgang Frederick sprach zur gut besuchten Eröffnung dieser ersten Schau in dem anheimelnden Hinterhofladen von einer Seelenverwandtschaft der Künstlerin Annette Strathoff und der Ladeninhaberin Iris Soike. Und fürwahr: die Collagen der Ausstellung „Auf jedes Tief folgt ein Hoch“ scheinen geradezu für die Klinkerwände gemalt. Aber auch in der glatt verputzten, kaminroten „Tonne“ atmen die Bilder als „Poesie der Ziegel“. Annette Strathoff ließ sich zu diesen noch ganz jungfräulichen Bildern von der Burg Ziesar inspirieren, in der sie im kommenden Jahr eine Ausstellung plant und auch gemeinsam mit Jugendlichen und Erwachsenen der Geschichte und Aura der Ziegelsteine malerisch auf den Grund gehen möchte.
Es ist ein assoziationsreiches Spiel, zu dem sie den Betrachter auf unspektakuläre Weise einlädt. Die mit Nessel, Leinenstücken und handgeschöpftem Papier versetzten Papplandschaften sind von eigenwillig morbidem Charme, die durch den mehrfachen Farbauftrag den Zerfallprozess einfühlsam herausstreichen. Es wird nichts zugemalt, sondern zutage gefördert. Auch in der Fantasie des Betrachters.
Sieht die Künstlerin selbst in ihren grünblauen Bildern eine Bohrinsel im Meer, schält sich für den anderen ein großer, tischförmiger Altar heraus, wie sie ihn die Priesterinnen in den Tempeln von Malta am Wasser erbauen ließen. Das abstrakte Wellen- und Liniengespinst verführt zum gedanklichen Balancieren. Alles bleibt in der Schwebe, entzieht sich der schnellen, festgezurrten Erkenntnis. Und während die langsam untergehende Sonne ihren letzten Farbakkord in die Stillleben zaubert, klingen im Hof die rockig- fröhlichen Lieder von Fortunate Fools aus. Auch hier Handgeschöpftes zum Wohlfühlen. Heidi Jäger
Zu sehen in der Jägerstraße 39, Hinterhof, Di bis Fr 10 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 15 Uhr.
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