Ausgestellt im Potsdam Museum: Auf Messers Schneide
Das Porträt Friedrich Wilhelm IV. ist restauriert und ab September im Potsdam Museum zu sehen.
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Die Knopfreihe ist wieder geradegerückt, das ausgefranste Haar am königlichen Hinterkopf geglättet, der grüne Teppich aufgefrischt. Friedrich Wilhelm IV. steht herausgeputzt bereit, um die preußische Königsriege im Potsdam Museum zu komplettieren. Er war der letzte, der noch in der Ahnengalerie fehlte, die im September in der neuen Dauerausstellung im Alten Rathaus gezeigt wird. Dort findet der goldgerahmte „Romantiker auf dem Thron“ an der Seite seines Vaters Friedrich Wilhelm III. und weiterer Familienhoheiten im Abschnitt „Residieren und Gestalten: Potsdam als Residenzstadt und Kulturlandschaft“ seinen festen Platz.
Am gestrigen Montag war er indes noch im Schönheitssalon von Oliver Max Wenske in der Dortustraße und wurde nach seiner Erneuerung auf einer Staffelei der Presse vorgestellt. Der Restaurator musste bei aller Akribie kräftig Hand anlegen, um den unter mehreren Firnisschichten versunkenen König wieder an die Oberfläche zu holen. Gut zwei Monate ging Oliver Wenske mit ihm auf Tuchfühlung, löste Schicht um Schicht, um unter dilettantischen „Schmierereien“ wieder das Original zum Vorschein zu bringen. Mit Skalpell und Lösungsmitteln beseitigte er nicht nur Altersspuren, sondern vor allem laienhafte Übermalungen, die wohl zuletzt in den 1970er-Jahren dem Bildnis zugefügt wurden. Das Porträt stammt etwa aus dem Jahr 1840 von einem unbekannten Maler, der nicht den höfischen Künstlern zuzurechnen sei, wie der Restaurator betonte.
Das Gemälde gelangte 2004 als Schenkung aus dem Familienbesitz Nikolaus von Wedels in die Sammlung des Potsdam Museums. Dort freute man sich über dieses Bildnis aus gutbürgerlicher Stube, auch wenn es im miserablen Zustand war. Markus Wicke vom Förderverein des Potsdam Museums erinnerte sich, wie dem Verein 2005 in seiner ersten Amtshandlung die zwei Königsporträts von Vater und Sohn angeboten wurden, um Geld für deren Restaurierung einzuwerben. Friedrich Wilhelm III. sei zwar auch übermalt worden, aber noch im ansehnlichen Zustand gewesen. Also kümmerte sich der Verein zuerst um den Vater, dessen Bildnis dem gleichen Maler zugeordnet wird wie das Bildnis des Sohnes. „Die Handschrift verweist auf ein Gegenstück. Das sah indes so hässlich aus, dass wir es eigentlich gar nicht übernehmen wollten. Wir stellten das Unterfangen jedenfalls erst einmal zurück“, so Markus Wicke. Aber das Bild geriet nicht in Vergessenheit, zumal das Potsdam Museum keine weiteren Porträts von Friedrich Wilhelm IV. besaß. „Also nahmen wir uns ab 2010 dann doch noch des hässlichen Königs an“, sagte Wicke. Es stand aber durchaus auf Messers Schneide, ob es überhaupt zu retten sei.
Nun steckt neben der Arbeitsleistung unter anderem der Erlös einer Romantiknacht-Lesung in der Restaurierung und auch eine Spende der BBBank in Höhe von 1700 Euro, die gestern an den Förderverein übergeben wurde. Es sollten bei der künftigen Präsentation dieses Porträts unbedingt auch Fotos beigestellt werden, die die Restaurierung dokumentieren, um den wirklichen Wert und Umfang der Rettung zu verdeutlichen – so wie schon mal in der ehemaligen Schaustelle des Museums in der Benkertstraße geschehen. Dann erst kann man erkennen, was in stockdunkler Restauratoren-Kammer im fluoreszierenden UV-Licht an Übermalungen zutage getreten und bereinigt worden ist. Denn mit Friedrich IV. wurde nicht zimperlich umgegangen: Fehlstellen sind nicht zugekittet, sondern mit Ölfarbe regelrecht zugemalt worden. „Klar, auf jedem Bild liegt als Schutz Firnis drüber, auch um die Farben zu vertiefen. Nach Jahrzehnten vergilbt diese Schicht und kann fleckig werden. Kommen aber immer neue Firnisschichten drüber, wächst das Bild allmählich in eine ganz andere Richtung“, betonte Wenske.
Doch bei Friedrich Wilhelm IV. wurde auch der Inhalt des Bildes nach eigener Fasson hingebogen. Nicht nur die schräge Knopfreihe an der straffsitzenden blauen Uniform des Monarchen wurde übermalt und senkrecht angeordnet, um den beleibten König schlanker erscheinen zu lassen. Selbst den Pfeiler an der linken Bildseite versetzten die Hobby-Maler. Und der Teppich ähnelte am Ende eher einem heutigen Flokati als einem königlichen Gewebe. Rund 70 Prozent sind übermalt worden. Auch der Parkettfußboden mit seinen Intarsien: aufschwingende Adler mit dünnen Hühnerbeinchen. „Der Knaller aber war, dass eine Potsdam-Silhouette mit Orangerie und Nikolaikirche hineingemalt wurde“, so Oliver Wenske. Jetzt gibt es wieder die ursprüngliche Landschaft hinter dem König zu sehen. Die lässt sich allerdings kaum zuordnen. Vielleicht ist es eine italienische Fantasielandschaft oder aber das Schloss Fürstenstein mit der Schneekoppe, die höchste Erhebung im ehemaligen Preußen, mutmaßt der Restaurator. Die neu gefundene Landschaft gibt neue Rätsel auf, die nun von Mitarbeitern des Potsdam Museums entschlüsselt werden müssen.
Der Wert des Bildes besteht vor allem darin, dass es zeigt, was sich früher gut betuchte Bürger in die Wohnung gehängt haben und was auch in den Amtsstuben zu sehen war, sagte Markus Wicke. Porträts wie die von Friedrich Wilhelm III. und dessen Sohn, der 1861 kinderlos geblieben starb, sind rar in Museen, da sie sich zumeist in Familienbesitz befinden.
Vielleicht wurde Friedrich Wilhelm IV. wie das Pendantbildnis des Vaters von einem Kupferstich abgemalt, mutmaßt Oliver Wenske. „Bei dem Porträt Friedrich Wilhelm III. war es jedenfalls so. Von diesem Ölbild existiert noch die dazugehörige Kupferplatte, nach der es eins zu eins ganz minutiös abgemalt wurde“, so der Potsdamer Restaurator, der auch dieses Bild überholt hat.
Beim Porträt FW IV. schienen indes schon beim Original mehrere Maler am Werk gewesen zu sein. „Das Drumherum trägt eine andere Handschrift, wurde vielleicht vom Meister an seine Schüler abgetreten: Jedenfalls ist das Porträt künstlerisch ausgereifter als die Umgebung“, betont Wenske. Der König wird im Arbeitszimmer gezeigt, wie er mit einer Feder in der Hand gerade ein Dokument unterzeichnet hat. Auf dem Papier ist seine Unterschrift zu lesen und der Schriftzug Potsdam.
Die Krönung der Restaurierung war schließlich der Rahmen. Friedrich Wilhelm IV. sollte auch da nicht im Schatten des Vaters stehen. So wurde die Einfassung dem original erhaltenen nachempfunden: überzogen mit wertvollem, vornehm glänzenden Doppeldukatengold.
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