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Kultur: Aufgelöste Grenzen

In der fabrik findet am 15. September ein zweitägiges experimentelles Symposium zum Thema Virtualität statt

Stand:

Der eine schaut in die Wolken und entdeckt darin eine Giraffe. Der andere macht in den nebulösen Gespinsten vielleicht eine Dampflok aus. Die Fantasie spielt mit den Möglichkeiten und macht Schein zu Sein. Aber auch der eigene Körper ist nicht eindeutig fassbar, hat keine feststehenden Grenzen – sagen die beiden Künstler William Wheeler und Stefan Pente und sind damit bei ihrem Lieblingsthema: der Virtualität. Mit ihr setzen sie sich in ihrer Langzeit-Residence seit einem Jahr in der fabrik auseinander. In ihren philosophisch-künstlerischen Ergründung der Möglichkeiten nennen sie ganz fassbare Beispiele, wie sich Körper ausweiten und verändern können.

So ist am 15. September bei einem zweitägigen, experimentellen Symposium „A body is as a body isn“t“ unter den 20 teilnehmenden Künstlern, Hausfrauen und Theoretikern auch Antonia Baehr mit ihrer Lachperformance. „Sie hat regelrechte Partituren geschrieben, nach denen sie stundenlang die Klaviatur des Lachens durchschreitet und andere damit ansteckt. Ihr Lachen geht auf andere über.“ Auf eine ähnliche Wirkung hoffen die beiden Kuratoren auch bei den anderen Beiträgen des 40-stündigen Experiments, das keineswegs nur ein Angebot für Spezialisten sein soll.

Die Initiatoren dieses vielgesichtigen Angebots studierten beide Bildende Kunst: Wheeler in Chicago, Pente in Zürich. Immer verfolgten sie in ihren Arbeiten den multidisziplinären Ansatz. Bei einem Perfomance-Festival kreuzten sich schließlich ihre Wege. „Seitdem sind wir Partner.“

Bei William Wheeler führte eine ganz persönliche Erfahrung zum Thema Virtualität. „Da ich schwul bin, habe ich mich sehr mit der sexuellen Orientierung auseinandergesetzt, mit Fragen der Identität.“ Das führte ihn schließlich in philosophisch-politische Dimensionen, die er nun angeregt und intensiv mit Stefan Pente ausschreitet. „Was verstehen wir eigentlich unter Körper? Ist es die äußere Hülle, mit der wir uns abgrenzen? Und was sind kollektive Körper: das Volk, die Familie? Was wäre, wenn ich mich nicht als Körper, sondern als freifliegende Moleküle wahrnehme?“ Wheeler und Pente werfen sich die Bälle nur so zu, mitunter ziemlich weit ins Abstrakte zielend.

Konkret wird es, wenn sie das multiple Verhalten innerhalb einer Person beschreiben. „Da fällt jemandem die Tasse herunter und er könnte sowohl weinen, schreien, toben oder lachen. Alles ist möglich.“

Auch ihr halbanimierter Blue Box-Film „Chandrakali“ beschreitet offene Räume. Darin setzen sich Forscherinnen mit ihren individuellen Erinnerungen, Amnesien und Projektionen von Gewalt auseinander. Opfer- und Täterbilder vermischen sich. DieserBlue-Box-Film wird in einer Black-Box zu sehen sein: So wie auch alle anderen Angebote des Symposiums dort stattfinden, einschließlich der Übernachtung. Denn die zweitägige Betrachtung des Körpers in all seinen Schattierungen lässt auch den Schlaf nicht außen vor. Falls man nach den Horrorfilmen, die bis in die Nacht hinein gezeigt werden, noch ein Auge zukriegt. „Alles soll intensiv bleiben, wir wollen der Veranstaltung einen kontinuierlichen Rahmen geben.“ Mit Picknicks mittendrin.

„Die Menschen geben Dingen eine Form, vielleicht um sich nicht selbst zu verlieren“, glaubt Wheeler. Die Form als Selbstbetrug? Vielleicht sind wir ja selbst nur eine Schäfchenwolke. Heidi Jäger

Ab 15. September, 18 Uhr. Eintritt 15 €. Teilnahme nur an einem der Tage möglich.

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