Kultur: Aufschrei, Tod und Triumph Packendes „Golgotha“
in der Friedenskirche
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Das 1945 bis 1948 entstandene Passionsoratorium „Golgotha“ des Schweizer Komponisten Frank Martin hat der Oratorienchor Potsdam nach drei Jahren wieder zur Aufführung gebracht. Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob liebt dieses Werk mit seiner so komplexen modernen Tonsprache. Er setzte alles daran, seine starken musikalischen Farben, seine dunkle Trauer und seine strahlende österliche Freude den Zuhörern in der Friedenskirche Sanssouci mitzuteilen. Im Oratorienchor und dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt an der Oder standen ihm Klangkörper zur Verfügung, die den lyrischen sowie vor allem den dramatischen Ton eindringlich zu interpretieren wussten, ebenso Tobias Scheetz an der Orgel.
Wenn der Passion Christi gedacht wird, kann das nicht geschehen ohne den Glauben um die Auferstehung, um den Sieg über Schmerz und Tod. Dies ist in Frank Martins ergreifendem Oratorium immer präsent. Schon der Prolog, dieser intensive Aufschrei des Chores zu Gott Vater, nennt den Triumph Christi über den Tod. Besonders strahlend ist der visionäre Schlusssatz, der immer höher das Licht der Auferstehung feiert, das helle Licht, das der Komponist in Rembrandts Radierung „Die drei Kreuze“ fand, die ihn zu diesem Oratorium anregte. Zwischen diesen Eckpunkten wird Jesus in acht Bildern vom Palmsonntag bis zum Tod am Kreuz begleitet, indem Martin das Geschehen anhand der vier Evangelienberichte erzählt und immer wieder mit Meditationen des Kirchenvaters Augustinus reflektiert.
Es entstand eine überaus dramatische und unter die Haut gehende Musik, die auf klanglicher Ebene wohl dem entspricht, was Mel Gibson auf die Filmleinwand brachte: (un)menschliche Gier nach Töten und Machtmissbrauch gegenüber demjenigen, der die Mächtigen anklagt. So sind vor allem die Verhörszenen beim Hohepriester und bei Pilatus, in denen die aufgeputschten Volksmassen das Sagen haben, von ungeheurer Wucht. Man könnte meinen, man wäre an dem Geschehen direkt beteiligt. Zur schlüssigen Darstellung trug der gut einstudierte Oratorienchor wesentlich bei. Schwierige harmonische Wendungen, die bis an die Grenzen der Tonalität gehen, meisterten die Sängerinnen und Sänger souverän. Sie zeigten Durchschlagskraft, eine reiche dynamische Palette und eine bis zuletzt kaum nachlassende Konzentration. Sie waren dem hohen Anspruch des Werkes jederzeit gewachsen.
Matthias Jacob hielt nicht nur das musikalische Geschehen souverän im Fluss, sondern ließ in seinem gestaltenden Dirigat den aufwühlend-expressiven sowie den zart und verinnerlichten Ausdruck bestens zur Geltung kommen. Das Brandenburgische Staatsorchester ließ sich von Jacob hörbar gern inspirieren und hat mit seinem weich und sauber intonierenden Bläser- sowie sensiblen Streicherklang zur beeindruckenden Gesamtwirkung viel beigetragen. Natürlich auch die Solisten. In seriösem und gerundet fülligem Bass fasste Thomas Berau textkonform die anspruchsvolle Jesuspartie zusammen, in zum Teil bewegtem Rezitationston – einmal sanft belehrend und gravitätisch, dann wieder mit energischer Gesangsgeste den Worten Ausdruck gebend.
Der Tenor Thomas Blondelle sowie der Bass Eric Fergusson haben besonders die dramatischen Szenen mit großer Plastizität gesungen. Sehr schön gelang Blondelle das Gebet nach dem Kreuzestod Jesu. Schlicht und innig meditiert er über Christi Schmerz und Tod sowie Gottes Erbarmen. Auch Abbie Furmansky, Sopran, und Barbara Bornemann, Alt, haben ihre Partien klar, warm und einfühlsam gesungen.
Gut, dass nach dem Verklingen des letzten Tons kein Beifall aufbrandete. Die ergriffenen Zuhörer gingen still auseinander und waren dankbar für diese bewegende Aufführung des Passionsoratoriums von Frank Martin. Klaus Büstrin
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