Kultur: Auftritte zu vertretbaren Konditionen
Heribert Beissel zum Saisonauftakt des Staatsorchesters
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Heribert Beissel zum Saisonauftakt des Staatsorchesters Langsam erwachen die Musen aus ihrem anhaltenden Sommerschlaf, buddeln sich ihre Startlöcher, treten nacheinander in Aktion. Im Nikolaisaal ist''s Polyhymnia, Vertreterin für die Belange der Musik, die mit der Reihe der Sinfoniekonzerte den Anfang macht. Zehn sind''s insgesamt, jeweils zur Hälfte bestritten von der Kammerakademie Potsdam und dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt. Letztere sind nach wie vor für die großbesetzte Sinfonik zuständig. Die Frankfurter beginnen heute mit Bruckners 3. Sinfonie, dem Oboenkonzert von Richard Strauss und den beiden Vorspielen zu Wagners romantischer Oper „Lohengrin“. Gegenüber PNN erläutert Chefdirigent Heribert Beissel seine Pläne und Gedanken zur neuen Saison. Was werden Sie den Potsdamern bieten? In den Sinfoniekonzerten all jene klangvollen Komponistennamen von Brahms bis Tschaikowski, wie wir sie bisher im Nikolaisaal gespielt haben. Bei „Klassik am Sonntag“ stellen wir „Mozart in Prag“ vor und feiern Fasching in Potsdam. Die Reihe der Feiertagskonzerte bereichern wir mit Auftritten am 1. Weihnachtstag, zu Neujahr und Pfingsten. Innerhalb eines Kinder- und Jugendkonzerts erzählen unsere Musiker das musikalische Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ von Gisbert Näther. Mit eigenen Konzertreihen wie „Quattro Stagiones“ oder „La Bella Musica“ treten Sie nicht mehr in Erscheinung? So ist es. Da der Besuch fast immer zu wünschen übrig ließ und die Kosten in keinem vertretbaren Verhältnis zu den Einnahmen standen, haben wir uns entschlossen, solche Projekte vorerst in der Landeshauptstadt nicht mehr zu verwirklichen. Ist das ein Zurückziehen in den Schmollwinkel? Wo denken Sie hin! Wir wollen und müssen als Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt selbstverständlich in der Landeshauptstadt nachdrücklich präsent sein. Aber zu vertretbaren Konditionen. Es geht nicht an, dass wir als Staatsorchester des Landes Brandenburg in Potsdam Konzerte veranstalten müssen, für die wir finanziell die Verantwortung tragen sollen. Wie aus dem Dilemma finden? Wir haben uns für Potsdam, was die Werbung betrifft, entschlossen, andere Wege zu gehen als bislang. Die neue Strategie besagt, dass wir uns persönlich intensiv um verschiedene Konzerte kümmern werden. Damit hoffen wir auf größeren Publikumserfolg. Andere, noch immer nicht gelöste Probleme betreffen den Theater- und Orchesterverbundvertrag. Noch immer haben wir eine finanzielle Deckungslücke, die uns durch die Übernahme der sieben Musiker von der abgewickelten Brandenburgischen Philharmonie Potsdam entstand. Diese Deckungslücke sollte durch die Nikolaisaal-Konzerte komplett geschlossen werden. Was so gedacht war, ist bislang allerdings nicht eingelöst worden. In einem neuen Vertrag sind unsere Wünsche zwar eingearbeitet, aber ob sie auf Grund der angespannten Finanzlage erfüllt werden können, weiß man nicht. In Frankfurt (Oder) wird das Programmangebot nicht abgespeckt, sondern aufgestockt. Wie das? Wir haben hier ein begeistertes, aber auch ein sehr wählerisches Konzertpublikum, das nicht alles akzeptiert, was ihm serviert wird. Es will bestimmte Musik exklusiv hören. Also bieten wir ihm Spezielles. Die in der vorigen Saison neu eingeführte Reihe „Wiener Klassik“ wurde sofort zu einem Selbstläufer. Von mir geplant auch als eine Art von Orchesterhygiene, weil an dieser Musik sich Geschmack, Darstellungskraft und strukturelle Übersicht eher erarbeiten lassen als an vielen anderen Stücken. Als diesjährige Saisonnovität bieten wir die vierteilige Reihe „Barock Konzerte“ an. Ist solches Spezialitätenangebot der Weg in eine Richtung, die auch die Jugend ansprechen könnte? Zweifellos. Die Konzerte sind erstens immer restlos ausverkauft und werden zweitens von einem neuen, stark verjüngten Publikum besucht. Was unbedingt wichtig ist, denn die Jugend verweigert sich im Moment fast zu hundert Prozent den „normalen“ Konzerten. Zugleich vollzieht sich landauf landab eine kulturelle Verödung, die die Politiker zu verantworten haben. Doch wie solchen kulturlosen Zeitläuften widerstehen? Zum Beispiel, indem man an den Schulen angeblich unwichtigen künstlerischen Fächern wieder zu Ansehen verhilft, um den Ahnungslosen, Halb- und Viertelgebildeten wieder etwas von einer Kultur vermittelt, die wichtig für die Entwicklung jedes Einzelnen ist. Nicht vage fragen: Hast Du Lust?, sondern fordernd sagen: Geh'' hin! In diesem Zusammenhang sage ich: Religionsunterricht ist nicht dazu da, dass man fromm wird, sondern um Ahnung zu erhalten, worum es da eigentlich geht. Auch in der Musik braucht es einiger entsprechender Grundkenntnisse. Haben Sie die Vermutung, dass das Land seine Zuschüsse für das Staatsorchester weiter zurückfahren will? Was heißt hier: Vermutung?! Aus dem Kulturministerium lautet die tatsächliche Wanka-Botschaft: Es gibt noch weniger Geld als bisher. Wahrlich eine sehr stimulierende Begleitung für den Beginn einer Konzertsaison, in der sich das Staatsorchester mit neuen Ideen um neues Publikum (gleich neuen Einnahmequellen) bemüht. Was ich dagegen vermisse, ist ein klares Bekenntnis: will das Land ein Staatsorchester oder nicht. Wenn ja... ... dann verbinden sich damit auch Verpflichtungen. Beispielsweise die, dass das Staatsorchester die Musikkultur dieses Bundeslandes weit über dessen Grenzen hinaus trägt. Das kann es allerdings nur, wenn es im Repertoire uneingeschränkt tätig sein kann. Unsere Partner wollen von uns nicht unbedingt Mozart oder Haydn haben, sondern einen Bruckner, Strauss, Mahler und Tschaikowski. Doch den müssen wir auch entsprechend besetzen können. Das ist unser Metier – und so soll es auch in Zukunft bleiben. Das Gespräch führte Peter Buske
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