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Bald ohne Kunst? Das Luisenforum in der Innenstadt hat einen neuen Besitzer.

©  Andreas Klaer

Von Dirk Becker: Aus der Traum

Der Kunst im Luisenforum droht das Aus – Ein weiterer Freiraum, der aus der Innenstadt verschwindet

Stand:

Es war ein vorweihnachtliches Geschenk der unerfreulichen Art, als Anfang Dezember die Mieter des Luisenforums die Kündigung ihrer Mietverträge per Post erhielten. Neben den Händlern sind davon auch private Galerien wie Art Market, aber auch die des Brandenburgischen Kunstvereins (BKV) und die Produzentengalerie M des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler betroffen. Das bedeutet, dass eines der wichtigsten und seit Jahren prägendste Zentrum für Bildende Kunst in der Potsdamer Innenstadt vor dem Aus steht. Denn es gibt zwar Gesprächsangebote. Doch gleichzeitig hat der neue Besitzer, die Berliner Gewerbehaus AG, die das Luisenforum im November zwangsersteigert hat, angekündigt, dass in den neuen Mietverträgen zehn Euro pro Quadratmeter gefordert werden.

„Das ist ein Preis, den wir nicht finanzieren können“, sagte Silke Albrecht, Geschäftsführerin im BKV, den PNN auf Nachfrage. Seit dem Einzug im Jahr 2002 nutzte der BKV in einer Art Kultursponsoring die Räume im Luisenforum an der Brandenburger Straße mietfrei. Dass dieser Zustand nicht für die Dauer sein konnte, war Silke Albrecht klar. Im Grunde war der Ausstellungsbetrieb im Luisenforum all die Jahre ein Agieren in einem fast schon traumhaften Provisorium. Dass das Ende nun so abrupt kommen soll, hat die Galeristen dann doch überrascht. Aber das Schlimmste konnte vorerst verhindert werden.

„Wir hatten eine Kündigung schon für Ende Januar bekommen“, so Silke Albrecht. Doch bei einem Gespräch in dieser Woche mit dem neuen Eigentümer sei ein Kompromiss gefunden worden. Eine Sonderregelung soll ermöglichen, dass der BKV die Räume im Luisenforum noch bis Ende Juni nutzen kann. Denn Ausstellungen sind geplant, so mit der in Glasgow lebenden Künstlerin Ilana Halperin ab Mitte Februar. „Wir sind auch sehr froh darüber, dass der neue Besitzer aufgeschlossen ist für unsere Arbeit und sich auch eine dauerhafte Mischung von Kultur und Gewerbe im Luisenforum vorstellen kann“, sagte Silke Albrecht. Gleichzeitig sei ihnen bewusst und habe der BKV natürlich auch dafür Verständnis, dass die Berliner Gewerbehaus AG in erster Linie wirtschaftlich denken muss. Doch es sind Gespräche mit der Stadt und dem Land geplant um zu prüfen, ob hier vielleicht nicht doch noch eine Lösung gefunden werden kann.

Ob Stadt und Land in diesem Fall wirklich helfen können, sprich mit finanzieller Unterstützung einen Erhalt des Kunststandortes Luisenforum zu ermöglichen, ist mehr als zweifelhaft. Potsdams Kulturszene spürt seit Jahren schon mehr als schmerzhaft die desolate Haushaltslage in Sachen Kulturförderung, obwohl die Verantwortlichen zumindest versuchen, weitere Kürzungen im Etat zu verhindern. Seitens der Landesregierung sieht das aber anders aus. Hier ist nach der Wahl klar das Bekenntnis zu Kürzungen und Einsparungen vor allem auch im Bereich der Kultur zu vernehmen. Erst am gestrigen Freitag hatte Jens Lipsdorf, kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, im Brandenburger Landtag in Potsdam vor drastischen Kürzungen im Kulturbereich gewarnt. „Selbst mit Einsparungen von 20 Millionen Euro in diesem Bereich werden wir den Brandenburger Haushalt nicht sanieren. Das ist Kaputtsparen an der falschen Stelle mit fatalen Folgen für Kultur und Wirtschaft“, so Lipsdorf. Er wirft der Landesregierung vor, Mittel für den Kulturbereich um bis zu 40 Prozent kürzen zu wollen. Solche Pläne seien eine Katastrophe.

Potsdams Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) hatte schon im Dezember erklärt, dass öffentliche Projektförderungen nicht mehr wie bisher, zur Finanzierung von Mieten oder Nebenkosten genutzt werden dürfen. Gleichzeitig betonte sie, dass die Stadt nicht in der Lage sei, Mietzuschüsse für Galerieräume zu zahlen.

Nun gibt es Vorschläge für alternative Standorte, wie die Stadt- und Landesbibliothek am Platz der Einheit oder der jetzige Standort des Potsdam-Museums in der Benkertstraße. Doch die Stadt- und Landesbibliothek steht vor einer großen Sanierungs- und Umbauphase und das Potsdam-Museum eröffnet erst Anfang 2012 sein neues Domizil im Alten Rathaus. Kurzfristig, wie es die Kündigungen der Mietverträge im Luisenforum nahe legen, sind diese Standorte also nicht zu nutzen. Und so zeigen diese Vorschläge nur die Hilflosigkeit, mit der man in dieser Stadt einer Entwicklung gegenübersteht, die Freiräume für Kunst und Kultur aus der Innenstadt immer weiter eliminiert.

Gerade erst die alternative Kunstmesse „unARTich“ Mitte Dezember im Kunstwerk in der Hermann-Elflein-Straße hat deutlich gemacht, dass es Freiräume in der Innenstadt kaum noch gibt. Die 23-jährige Malerin Irina Maslennikova und der gleichaltrige Fotograf Kai Jakowski hatten hier für ein Wochenende über 30 Künstler zusammengebracht, die ihre Arbeiten ausstellen und untereinander ins Gespräch kommen wollten. Lange hatten die beiden nach geeigneten Räumen gesucht, um ihre Idee von „unARTich“ ohne Probleme und Einschränkungen hätten umsetzen können. Doch in der historischen Potsdamer Innenstadt, wo die Prioritäten auf Sanierung und Restaurierung festgelegt sind, waren solche Freiräume nicht zu finden. Dankbar haben Irina Maslennikova und Kai Jakowski die Unterstützung durch das Kunstwerk angenommen, um die Ausstellung „unARTich“, die keinerlei öffentliche Förderung in Anspruch genommen hat, umsetzen zu können.

Es geht hier nicht darum, dem Bekenntnis in Potsdams Innenstadt zur historischen Bausubstanz das Wort zu reden. Was hier in den vergangenen Jahren erreicht wurde, kann nur begrüßt werden. Doch im Rahmen dieser Entwicklung ist die Kunst und Kultur, die nicht nur auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist, immer mehr verdrängt worden. Räume, in denen sich Kunst frei entfalten und auch gezeigt werden kann, sind kaum noch zu finden. Und so zeigt sich, dass eine aufwendige und vor allem kostenintensive Sanierung historischer Bausubstanz in Potsdam nicht zusammenpassen will mit einer Kunstszene, die auf Unterstützung angewiesen ist. Aber wie die Ausstellungen im Luisenforum gezeigt haben, gibt diese Kunstszene dieser Stadt ein besonderes Gesicht. Aber ein Gesicht, auf das wohl leider verzichtet werden kann.

Dirk Becker

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