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Kultur: Aus zwei Tiegeln

Fotos aus Jerusalem und jüdischer Jazz von Rashanim im al globe

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Der Mensch lebt wirklich nicht „Vom Brot allein“, so der Titel der kleinen Fotoausstellung im Brandenburgischen Haus der Kulturen al globe. Schaut man derzeit in den Nahen Osten, meint man, die Nahrung des Menschen wären Hass und Zorn. Israel soll von der Landkarte verschwinden, der Friedensprozess im Heiligen Land ist wieder einmal akut gefährdet. Im Karikaturenstreit erfährt Europa gerade, wozu der Mensch fähig ist, wenn die Nahrungsquelle der Seele, der Glaube, vergiftet ist.

Die israelische Pressefotografin Varda Polak-Sahm lebt und arbeitet in Jerusalem. Kein Ort der Welt ist älter, nirgendwo sonst leben Moslems, Juden und Christen so dicht beieinander, nirgendwo sonst liegen religiöse Heiligtümer so nahe beieinander wie auf dem Tempelberg. Und wenn der Glaube trennt, so eint das Brot. Polak-Sahm griff zum einfachsten Symbol, dem des Brotes, und machte aus ihm eine Formel, durch die in der von religiösen Spannungen aufgeheizten Umgebung das Menschliche und Verbindende deutlich werden kann. Ob Araber, Jude, Druse, Armenier oder Kopte, ohne Brot geht es nirgends. Auf Polak-Sahms Bildern ernten arabische und jüdische Kinder gemeinsam den Weizen, in der arabischen Straßenbäckerei wird Fladenbrot zubereitet, das ungesäuerte Brot der Juden, der Matzen, lagert flach und geröstet für das Passahfest. Ein armenischer Priester verteilt eine Oblate an einen Gläubigen. Das Brot, ob in den Händen eines Teig knetenden Bäckers oder eines Brautpaares, ist in diesen Bildern immer so dargestellt wie eine Reliquie oder ein Heiligtum.

Eine zweite Serie der Fotografin zeigt die Erneuerung des Felsendom-Daches. König Hussein von Jordanien spendete die Vergoldung des nach Mekka und Medina wichtigsten moslemischen Heiligtums. Von hier sei der Prophet Mohammed in den Himmel aufgestiegen, der vom Dom umhüllte Felsen trage den letzten Hufabdruck seines Pferdes, bevor es sich in die Lüfte erhob. An der gleichen Stelle soll auch Abraham seinen Sohn Isaak Gott zum Opfer angeboten haben.

Polak-Sahm dokumentiert eher sachlich die Arbeit in der „Goldwerkstatt“. Nur wenn der Blick von der Kuppel auch auf die Jahrhunderte alten Häuser und Mauern der Stadt fällt, kann der Betrachter die himmlische Aura von Jerusalem teilen.

Die Exposition, die noch bis zum 18. März in der zweiten und dritten Etage des al globes zu betrachten ist, konnte leider aus Platzmangel nicht vollständig präsentiert werden. Wer das zum größten Teil ja friedliche Gedränge in den engen Gassen der heiligen Stadt sucht, muss in den von Polak-Sahms Ehemann herausgegebenen Bildband schauen. Ulrich Sahm arbeitet sonst bei n-tv als Nahost-Korrespondent und berichtet von den aktuellen Krisenherden.

Für das junge New Yorker Jazz-Trio Rashanim war das al globe die letzte Station ihrer zweiten Europatournee, die sie u. a. nach Zagreb, Maribor und Wien geführt hatte. Wer heute an jüdische Gegenwartsmusik denkt, landet ja fast automatisch bei Klezmer. Besucher von Rashanim-Konzerten mit diesbezüglicher Erwartung werden jedoch regelmäßig enttäuscht. Obwohl, wie der aus der Schweiz stammende Schlagzeuger Mathias Künzli eingesteht, dem Gitarristen Jon Malof und dem Bassisten Shanir Ezra Blumenkranz ihre jüdischen Wurzeln „super-wichtig“ sind. Aber nur scheinbar sind traditionelle jüdische Melodien zugrunde gelegt.

Die kurzen melodiösen Fragmente sind Eigenkompositionen, die Medofs E-Gitarre mit erdigem Sound immer wieder aufnimmt. Dazwischen jedoch sind zwanzig bis dreißig Prozent Improvisation.

Blumenkranz behandelt seinen Bass wie ein Rocker. „Wie Hendrix, das hört Shanir immer gerne“, sagt Künzli, der vom eidgenössischen Bundesjugendjazzorchester zum Studium nach Boston gegangen war und dann in New York als Musiker hängen geblieben ist. Jedenfalls werden dem Bass die Töne auch schon mal mit einem Feuerzeug von den Saiten abgenommen. Künzli selbst, der Lauren Hill (Ex Fugees) auf der letzten Tour als Percussionist begleitet hat, ist für „komische Rhythmen“ zuständig, eine Eigentümlichkeit dieser Musik. Dafür legt er ein Becken auf die Snare oder wirbelt auf einem verbeulten Blech herum. Was da heraus kommt, ist kraftvoll und treibend, immer überraschend und gilt als besonders „heiß“ in der Jewish Renaissance von New York.

Bilder aus Jerusalem, Klänge aus New York. Der Abend im al globe brachte Alte und Neue Welt, den uralten und den heutigen Schmelztiegel der Religionen und Kulturen für einen Moment zusammen. Anderswo ist das längst nicht so einfach möglich.

Matthias Hassenpflug

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