Kultur: Ausdrucksintensiv und verspielt
Sinfoniekonzert mit der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal
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Sinfoniekonzert mit der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal Eigentlich kennt man sie ja ganz anders, die kleine Nachtmusik. Doch diese hier heißt ja auch „Piccola musica notturna“, stammt aus der Feder von Luigi Dallapiccola (1904-1975). In dieser italienischen Antwort auf die Zwölftontechnik herrschen die Kontraste vor, beschwört Dallapiccola die Atmosphäre des Unwirklichen. In solchen „gebrochenen“ Gefilden fühlt sich die Kammerakademie Potsdam hörbar wohl, die das knapp zehnminütige Stück an den Anfang des 9. Sinfoniekonzerts im Nikolaisaal stellt. Erregte Klangflächen wechseln mit elegischen Stimmungen. Genau werden sie ausmusiziert, spannungsgeladen und kontrastreich den Ohren ausgebreitet. Die analytische Sicht des israelischen Dirigenten Ilan Volkov trägt das ihrige dazu bei, dem Ohr die verschlungenen Klangwege deutlich erkennbar zu machen. Sie finden im erfreulich gefüllten Auditorium eine freundliche Aufnahme. Begeistert gefeiert wird dagegen der Solist des Abends: Emmanuel Pahud. Dem Solo-Flötisten der Berliner Philharmoniker eilt der Ruf voraus, gegenwärtig der Weltbeste auf diesem Instrument zu sein. Wird er, umkränzt von (Vorschuss-)Lorbeeren, mit dem Flötenkonzert des Dänen Carl Nielsen (1865-1931) die Erwartungen einlösen können?! Natürlich bläst es der 34-Jährige technisch makellos. Die Schwingungen der Luftsäule sind perfekt: nicht die klitzekleinste Intonationstrübung stört das Hörerlebnis. Selbst im Forteausbruch wird der Ton nicht spitz und schrill, sondern bleibt immer rund, im Pianissimo klar und tragfähig. Imponierend. Doch sein Gestaltungswille ist nicht weniger phänomenal. Beschwingt und verspielt zeigt sich die originelle Komposition, deren anspruchsvoller Solopart nach einen immens langen und gleichmäßig strömenden Atem verlangt. Pahud verfügt darüber. Wie scheinbar mühelos er aufblühende Tongirlanden knüpft und reizvolle Arabesken entstehen lässt, so kraftvoll gelingen ihm dramatischen Zuspitzungen und scharf umrissene Erregungen. Diese gönnen sich schließlich die kapriziöse Entspannung. In der anhaltend herbeigeklatschten Zugabe „Density 21,5“ von Edgar Varese (benannt nach der Dichte von Platin, aus der die Flöte bestand, auf der das Stück uraufgeführt wurde) zeigt Emmanuel Pahud, dass er auf seinem Goldinstrument auch mit Verinnerlichung zu brillieren versteht. Ähnlichen Beifallssturmes durfte sich auch die für ein Kammerensemble gewagte Hinwendung zu Beethovens Sinfonie Nr. 3 Es-Dur „Eroica“ erfreuen, die zügig bis überhetzt von einem ruhelosen und ungestümen Heros erzählt. Dies in einer 8-er Geigenbesetzung zu vollführen, kann nur bedeuten: weg von jeglicher Spieltradition des 19. Jahrhunderts. Was jedoch zur Folge hat, dass Konfliktwühlendes und Forte fast immer forciert werden müssen, um mangels Instrumentalmasse entsprechend wirken zu können. Im Leisen wird der Klang oft dünn. Der sparsame Gebrauch von Vibrato ermöglicht jedoch eine sehr geschärfte Diktion. Extrem schleppend, aber ausdrucksintensiv und detailgenau zieht der Trauermarsch vorüber, brioberstend sowie mit gefälligem Hörnerschall und flinkem Streichergrummeln erklingen Scherzo und Finale. Peter Buske
Peter Buske
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