Von Dirk Becker: Ausgebremst
Das Programm für die 20. Potsdamer Tanztage steht, doch die nötige Förderung vom Land steht aus
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Ist es bittere Ironie oder doch ernst gemeint? Auf die Frage, ob das Programm der diesjährigen Tanztage vor allem eine Rückschau werden soll, schließlich geht das renommierte Festival des Internationalen Zentrums für Tanz und Bewegung „fabrik“ in der Schiffbauergasse in sein 20. Jahr, fragt Sabine Chwalisz einfach zurück. „Wieso Rückschau? Warum fangen wir nicht wieder von vorn an?“
Wie sich im weiteren Verlauf des Gesprächs mit Sabine Chwalisz und den beiden anderen Vorstandsmitgliedern der „fabrik“, Sven Till und Laurent Dubost, zeigt, war der Gedanke an einen Neubeginn anlässlich des 20. Jahrestages durchaus eine ernst gemeinte Option. Denn die Tanztage versteht Sabine Chwalisz als einen „fortwährenden Prozess“, der wie die Akteure auf der Bühne ständig in Bewegung bleiben muss. Warum dann nicht auch ein Neustart, bevor man sich nur noch auf ein bewährtes Konzept verlässt und sich so selbst Trägheit verordnet? Doch zurzeit sind die Planer der Potsdamer Tanztage zu einer Trägheit verdammt, die sie hilflos macht und die Gefahr mit sich bringt, dass dieses Bewegungsfestival vielleicht sogar zum Stillstand kommt. Und wer würde es Sabine Chwalisz, Sven Till und Laurent Dubost unter solchen Umständen verübeln, ironisch zu werden?
Von Problemen möchte Sven Till trotzdem nicht sprechen. Auch Sabine Chwalisz geht davon aus, dass die Tanztage vom 12. bis 23. Mai in der „fabrik“ stattfinden werden, die entsprechenden Fördergelder auch gezahlt werden. Obwohl es seitens der neuen Landesregierung noch keine Zusagen gegeben hat. Laurent Dubost ist der einzige, der dazu schweigt und dessen Gesichtsausdruck verrät, dass er sich doch Sorgen macht.
In den vergangenen Jahren hatte die „fabrik“ im Dezember immer sogenannte Verfügungsermächtigungen erhalten, in denen das Land sozusagen die nötige Förderung zusicherte. Doch im vergangenen Dezember blieben diese Verfügungsermächtigungen aus. Und bis jetzt wissen Sabine Chwalisz, Sven Till und Laurent Dubost nicht, ob und wenn ja, in welchem Umfang das Land Brandenburg die Tanztage auch in Zukunft fördern wird. „Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass das Land auf dieses Festival, das sich auch international einen Namen gemacht hat, verzichten will“, sagt Sabine Chwalisz.
Antje Grabley, Pressesprecherin im brandenburgischen Kulturministerium, sagte den PNN am Freitag auf Nachfrage, dass sie keine genauen Angaben zu einer geplanten oder eben nicht geplanten Förderung der Tanztage machen könne. Noch immer sei man nicht nur in dem Ministerium, das nach Johanna Wanka (CDU) nun von Martina Münch (SPD) geleitet wird, mit der Regierungsbildung beschäftigt. Und so werde der Landeshaushalt für das Land Brandenburg erst zum Sommer hin verabschiedet werden. „Hoffentlich noch vor der Sommerpause“, fügt Antje Grabley hinzu.
Das bedeute aber nicht, dass erst dann bekannt wird, mit wie viel Geld das Land die Freien Träger in Brandenburg dann fördern kann. Ende kommender Woche stehen die sogenannten Chefgespräche auch im Kulturministerium an. Dann werden Martina Münch und die Experten vom Finanzministerium um das Geld streiten und festlegen, wie viel das Kulturministerium in diesem Jahr zur Verfügung hat. Anfang Februar ist dann eine Kabinettsrunde geplant, in der das vorläufige Haushaltspaket geschnürt wird, das dann endgültig bis zum Sommer beschlossen werden soll. „Dann hat Frau Münch also im Februar konkrete Zahlen, mit denen sie arbeiten kann“, sagte Antje Grabley. Und dann wird sich entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Förderung für die Tanztage in Potsdam zur Verfügung steht. Zu den geplanten Einsparungen im Kulturhaushalt – mal ist von 13, dann von 14 und sogar von 16 Millionen Euro die Rede – werde sie sich nicht äußern, sagte Antje Grabley. Diese Zahlen seien reine Spekulation und könnten schon in der „nächsten Woche Makulatur sein“.
Für die Freien Träger in Brandenburg, die allein durch Landesmittel gefördert werden, sei zumindest veranlasst, dass mit 1,8 Millionen Euro die Hälfte der bisherigen jährlichen Förderung für die ersten sechs Monate ausgezahlt werden. Insgesamt 26 Einrichtungen, darunter das Brandenburgische Literaturbüro in Potsdam, zählen dazu, so Antje Grabley.
Für Sabine Chwalisz, Sven Till und Laurent Dubost ist das kein Trost. Sie haben schon geplant und das Programm für die 20. Potsdamer Tanztage zusammengestellt. Insgesamt 20 Aufführungen Potsdamer und internationaler Tanzensembles auf vier Bühnen und fünf Tanzstudios sind geplant. Darunter „Pororoca“ mit Lia Rodrigues und der Companhia da Dansa aus Rio de Janeiro und Anne Teresa de Keersmaeker mit ihrer Company Rosas und dem Stück „Rosas danst Rosas“. Insgesamt 20 Workshops vom Anfänger bis zum Profi und für alle Altersklassen kommen dazu. Und natürlich die Zuschauergespräche und Konzerte. All das hat Vorlauf, Zeit und Geld gekostet. Und mit dieser Planung ist die „fabrik“ auch Verpflichtungen eingegangen. Aber Sabine Chwalisz, Sven Till und Laurent Dubost rechnen, trotz aller schlechten Vorzeichen, mit einer Förderung vom Land. Denn keiner will glauben, dass dieses Festival nicht mehr stattfinden soll.
Dirk Becker
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