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Kultur: Bach, unendlich wie das Meer

Zum 330. Geburtstag des Thomaskantors gibt es eine Konzertreihe im Nikolaisaal. Ein Gespräch mit dem Chefdirigenten der Kammerakademie Antonello Manacorda

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Johann Sebastian Bachs unübertroffene Musik berührt nach wie vor. Sie lässt ihre Zuhörer durch die Tiefen schreiten und in Höhen fliegen. In diesen Klängen fühlt man sich gut aufgehoben. Auch Antonello Manacorda, Chefdirigent der Kammerakademie Potsdam, lässt es sich mit Bachs Musik gutgehen. Nicht dass er sich mit ihr nur zurücklehnt, vielmehr weiß er sich durch sie immer wieder herausgefordert. „Die vollkommene Geformtheit seiner Kompositionen, die Strenge und Festlichkeit, die dynamischen Steigerungen und Wendungen des Melodienreichtums eröffnen einen riesigen musikalischen Kosmos. Man kann vor ihm nur größten Respekt haben“, sagt Manacorda in einem Gespräch mit den PNN während einer Probenpause des Orchesters. Der Dirigent ist in diesen Tagen wieder ganz bei Bach, über den ein spanischer Bildhauer schrieb, dass er endlich sei wie die Wellen, „unendlich wie das Meer, niemals unterschiedlich, aber auch niemals gleich“.

Am heutigen Samstagabend dirigiert Antonello Manacorda im Nikolaisaal ein Konzert der Kammerakademie mit Ouvertüren und Violinkonzerten von Johann Sebastian Bach zu dessen 330. Geburtstag. Das Jubiläum veranlasste die Leitung des Potsdamer Konzerthauses, die ganze Saison über ein kleines Bach-Fest zu veranstalten. Natürlich ist auch die Kammerakademie mit von der Partie. Der Gedenktag fällt auf den heutigen Samstag, sodass er am Nachmittag auch mit Kaffee und Kuchen gefeiert werden kann.

Doch selbstverständlich steht die Musik im Vordergrund. In mehreren Räumen des Nikolaisaals soll sie erklingen, dargeboten von Mitgliedern der Kammerakademie. Cellosuiten, Arien-Bearbeitungen aus Kantaten und Ausschnitte aus dem „Musikalischen Opfer“ stehen auf dem Programm. Und mit diesem riesengroßen Kosmos kompositorischer Erfindungen wäre der Geburtstagsgast auch musikalisch ganz in Potsdam angekommen.

Denn während eines Besuchs bei seinem zweitältesten Sohn Carl Philipp Emanuel im Jahre 1747 wurde der Thomaskantor bekanntlich zum flötespielenden König Friedrich II. beordert. Der Monarch wollte die Künste des Leipzigers prüfen, indem er ihm ein Thema vorgab. Bach bereicherte es mit fugalen Improvisationen und rief Begeisterung hervor. Es entstand „Das Musikalische Opfer“, das zu den Werken Bachs gehört, die in Potsdam besonders gern musiziert werden – schließlich kann man doch mit ihm in einer Komposition an zwei Persönlichkeiten erinnern, an Bach und Friedrich II.

Die Kammerakademie, die auch zur Barockmusik ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, vernachlässigte Bach bisher immer ein wenig – abgesehen von der Mitwirkung bei Oratorienaufführungen. Beim heutigen Abendkonzert hat man sich aus gegebenem Anlass ganz und gar auf den großen Meister eingeschworen. „Festliche, schwungvolle, fröhliche und hintergründige Musik werden wir mit den beiden Orchestersuiten Nr. 1 und 4 zu Gehör bringen. Besonders freue ich mich, dass die international bekannte Potsdamer Geigerin Antje Weithaas mit uns musiziert. Sie wird die Violinkonzerte in a-Moll und in E-Dur spielen“, kündigt Antonello Manacorda das Programm an.

Der Chefdirigent sagt auch, dass auf modernen Instrumenten gespielt wird. Er plädiert dafür, dass die „historisch informierte Aufführungspraxis“ nicht dogmatisiert werden dürfe, denn schnell könne sie zum musealen Selbstzweck werden. „Bei Bach komme ich mir vor, als ob ich mich in einem großen Wald befinde. Plötzlich stehe ich an einer Weggabelung, deren unterschiedliche Pfade jedoch alle ins Licht führen. So scheint mir, ist es auch mit der Interpretation der bachschen Musik. Es gibt verschiedene Wege zu dem Komponisten“, so Manacorda über seinen eigenen Weg, der ihn zu Bach führte.

Mit ihm fühlt er sich schon seit seiner Jugendzeit verbunden. Als Konzertmeister des Mahler Chamber Orchestra hat er viel die Musik des mitteldeutschen Meisters gespielt: Oratorien, Sonaten, Konzerte oder Suiten. „Es gibt aber keine Formel, keine griffige These, die hilfreich definierend Johann Sebastian Bach erklären könnte. Dazu ist er zu groß, ja, fast heilig“, sagt der Chefdirigent und eilt zur Probe in den Nikolaisaal zurück. Dort wird am morgigen Sonntagnachmittag das Bach-Programm weitergehen.

Auf der Bühne des Großen Saals heißt es dann „Sing Bach“. Mitwirkende sind rund 200 Grundschüler, die an einem Mitsingprojekt teilgenommen haben. Originale Liedkompositionen und Choräle, umgearbeitete Arien oder mit Text versehene instrumentale Hits werden unter der Leitung von Friedhilde Trüün erklingen. Der 330. Bach-Geburtstag kann also mit Fröhlichkeit auch in Potsdam gefeiert werden.

Heute im Nikolaisaal: 16 Uhr: „Bei Bach zum Kaffee“; 20 Uhr: Konzert – Ouvertüren und Violinkonzerte.

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