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Kultur: Bachtage I

Der Tölzer Knabenchor in der Nikolaikirche

Stand:

Chorkunst in virtuoser Vollendung erfordern die Motetten Johann Sebastian Bachs. Der Tölzer Knabenchor, der nicht mit der langen Kirchenmusiktradition wie die Thomaner und die Kruzianer aufwarten kann – er wurde 1956 gegründet – vermag diese Forderung zu erfüllen. Der Auftritt am Freitag in der Nikolaikirche gehörte wohl zu den absoluten Höhepunkten in der Geschichte des von Björn O. Wiede initiierten und geleiteten Festivals.

Für die jungen Sänger bedeutet die Wiedergabe der Motetten zwei Stunden höchste Konzentration, zählen sie doch zu den hervorragendsten und schwierigsten Schöpfungen der Chormusik. Fast jeder einzelne Chorist kann wohl bereits als Solist bestehen. Und nur so bewältigt das Ensemble die Tücken der zum Teil fünf- oder auch achtstimmigen Partituren. In dem Chordirektor und Gründer des Tölzer Knabenchores, Gerhard Schmidt-Gaden, haben die Sänger einen Dirigenten, der sie souverän führt, der einen wunderbar ausgewogenen und durchhörbaren Gesamtklang verantwortet. Die verzwicktesten Fugenpassagen sind in jeder Stimme sicher geführt, wenn man von der kleinen Konzentrationsschwäche zu Beginn von „Singet dem Herrn ein neues Lied“ absieht. Textverständlichkeit und eine große dynamische Bandbreite waren stets gegeben, die Tempi durchweg zügig und straff. Schmidt-Gaden stellte dem Chor eine Orgel (Christian Brembeck) und Violone (Werner Mayer) als Basso continuo unterstützend zur Seite. Sangen die „Tölzer“ die Motetten „Lobet den Herren, alle Heiden“, „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir“ und „Der Geist hilft unsrer Schwachheit“ auf“ mit wunderbarer Frische, Farbigkeit und klanglicher Transparenz, so beeindruckte besonders das berühmte fünfstimmige Chorwerk „Jesu meine Freude“. In ihm sind Text und Musik zu einer Einheit verschmolzen, Zartheit und Wildheit kommen wunderbar zum Tragen. Man spürte Schmidt-Gadens tiefe Ergriffenheit vor dieser Musik, aber auch die erstaunliche Reife, mit der der Knabenchor das Werk zum Besten gab. Nicht anders bei der Trauermotette „Komm, Jesu, komm“, in der die schwindende Kraft im Alter und der „saure Weg“ des Lebens so eindringlich veranschaulicht werden.

Nach einem dann insgesamt hinreißend musizierten „Singet dem Herrn ein neues Lied“ brandete in der Nikolaikirche nicht enden wollender Applaus auf, für den sich die „Tölzer“ mit der innigen Motette „Ich lasse dich nicht“ und Mozarts „Gott hat alles wohlgemacht“ bedankten. Klaus Büstrin

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