Kultur: Bald „Füße abtreten“
Erstes Potsdamer Architekturgespräch zur Schiffbauergasse in der Schinkelhalle
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Erstes Potsdamer Architekturgespräch zur Schiffbauergasse in der Schinkelhalle Kaum eine Stadt besitzt einen so wertvollen Architekturschatz wie Potsdam. Aber sicher gibt es auch wenige Orte, wo bittere und polemischere Diskussionen über Architektur geführt wurden. Die Potsdamer Architekturgespräche, eine neue Diskussionsreihe, die von der Brandenburgischen Architektenkammer initiiert wurden, haben den Anspruch, die Diskussion zu verstetigen, kontinuierlich Öffentlichkeit herzustellen, und sicher auch – blickt man auf die Vorgänge um die Vergabe des Freizeitbades oder die Stadtschlossdebatte – um der zeitgenössischen, hiesigen und modernen Architektur wieder zu mehr Reputation zu verhelfen. Das von PNN-Chefredakteur Michael Erbach gestern in der Schinkelhalle souverän geleitete erste Gespräch dieser Art nahm seinen Ausgangspunkt zunächst am „integrierten Kulturstandort Schiffbauergasse“, wo Hightech und Gewerbe, Hochkultur und Szene in friedlicher Koexistenz angesiedelt sind. Konrad Boljan vom Sanierungsträger Potsdam erinnerte in einem Rückblick daran, wieviel Fortschritte das in Deutschland wohl einzigartige Projekt bereits gemacht hat. Tatsächlich fuhren vor den großen Toren neben den Zuhörern die Kipper und wirbelten Staub auf, denn der benachbarte Schirrhof wird gerade saniert. Seine Aussagen zur Zukunft nach der Vollendung des Theaterneubaus und der Errichtung des Zentrums für Kunst und Soziokultur klangen allerdings zurückhaltend: „Da bin ich selbst sehr gespannt“. Ein Nutzungskonzept fehlt bislang und die Verkehrsanbindung an die Innenstadt muss unbedingt geklärt werden. Moritz Kock, der Architekt des ansässigen VW-Designzentrums, betonte, wie wichtig das hohe Niveau an Architektur und an Alltagskultur in Potsdam für die Entscheidung seiner Ansiedlung war. VW wollte ursprünglich nach Berlin in die Pfefferberg-Mühle ziehen. Michael Wegener vom Waschhaus, das sich vor zehn Jahren das Gelände mit Alternativkultur erschloss, begrüßt einerseits die Entwicklung, wirkte aber insgesamt skeptisch. Er spürt den hohen Kommerzialisierungsdruck und wünschte sich „Mut zur Brache“, denn Kreativität entstehe nur spontan. Die würde sich wohl woanders wieder eine Freifläche suchen, mutmaßte er. Die Architektin Maria Mocanu, die zusammen mit Gottfried Böhm für den Theaterneubau verantwortlich zeichnet, überraschte bei der Frage nach dem historischen Wiederaufbau des Stadtschlosses mit Selbstkritik in Richtung ihres Berufsstandes: „Da wurde in den letzten zehn Jahren viel Vertrauen verspielt“, eine historische Variante kann sie deshalb vertreten. Für Eric Uwe Laufenberg, den Intendanten des Hans Otto Theaters, bleibt das wichtigste, die Lebendigkeit des Kulturstandortes zu erhalten. Auch, wenn der Wunsch Moritz Kocks nach einem permanenten Wachschutz, wohl gerichtet an die nächtlichen Besucher der Waschhaus-Veranstaltungen, eher Wegeners Negativ-Vision nährte, vor der Einfahrt des Geländes würden Schilder mit „Füße abtreten“ montiert werden, zeigten die eingeladenen Nutzer bereits großes Interesse an Kooperationen, ganz im Sinne der Grundidee. Kock lud die Theaterleute ein, bei sich zu spielen und bot ein VW-designtes Bühnenbild an, was Maria Monacu aufgriff und dem Kindertheater auch ein Bild gestalten wollte: „kostenlos“. Eine informative Veranstaltung in einer notwendigen, für die Stadt wichtigen Reihe.Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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