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Kultur: Baugeschichten dieser Stadt

Manfred Meyers Buch „Potsdam – seine Könige, Baumeister und Bewohner“

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Frau Semmering muss eine tolle Lehrerin sein. Vor allem im Heimatkundeunterricht begeistert sie junge Leute für die Potsdamer Geschichte, für Preußens Könige und Baumeister. Die Schüler scheinen durch sie eine neue Qualität im Sehen und Begreifen der Stadt zu bekommen. Nicht nur während des Unterrichts wollen sie sich damit beschäftigen, sogar in den Ferien. In Caputh lernen sie den Großvater einer Mitschülerin kennen. Herr Rudolph, genannt Rudi, weiß über die Historie Potsdams immens viel. Vor allem über die Baugeschichte, schließlich war er Architekt. Rudi erzählt ausführlich. Vor allem aber liest er aus Potsdam-Büchern vor, die man in seiner umfangreichen Bibliothek findet.

Die fiktive Figur der Lehrerin, die Schüler sowie ihre Begeisterung an Geschichte wird von dem Caputher Architekten Manfred Meyer, der sich im Ruhestand befindet, in eine Rahmenhandlung seines Buches „Potsdam – seine Könige, Baumeister und Bewohner“ (Edition Winterwork, 19,90 Euro) eingebettet. Doch dessen Protagonisten von der Waldorf-Schule wirken im Text, der vom Autoren als Informationserzählung bezeichnet wird, recht maniriert und gestelzt, eigentlich kaum jugendgemäß. Man hat den Eindruck, dass sie stundenlang zuhören müssen, denn Rudi liest schließlich gern vor. Kontroverse Gespräche, die sich in Sachen Potsdamer Geschichte gut und gern einstellen könnten, werden leider nur hin und wieder angedeutet.

Manfred Meyer hat ein Geschichtsbuch vorgelegt, in dem er seitenweise aus Texten von Potsdam begeisterten Autoren zitiert. Da kommt unter anderen der Historiograph König Friedrich Wilhelms IV., August Kopisch, zu Wort. Auch Joachim Fernaus Buch „Sprechen wir über Preußen“, das 1981 erschienen ist, spielt eine Rolle in Meyers Edition, die jedoch leider von unsäglich qualitätslosen Abbildungen begleitet wird. Der Hauptanteil der Zitate stammt vom königlich preußischen Oberhofbaurat, Garteninspektor, und Baumeister Heinrich Ludwig Manger. Dessen „Nachricht von dem neuen Grundbaue zu einer Anzahl Häuser in Potsdam auf einem ehemaligen Sumpffe“ ist 1786 als Buch erschienen. Noch heute ist es für Denkmalpfleger und Architekten ein wertvolles Dokument für die bauliche Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte. Manfred Meyer hat den Text Mangers an heutige Lesegewohnheiten angepasst. Es geht dabei zwar die historische Authentizität verloren, doch manch trockenes Architekten-Deutsch vom Ende des 18. Jahrhunderts wird somit besser verständlich.

Spannender sind dagegen Meyers eigene Erfahrungsberichte aus DDR-Zeiten. Als Bauleiter in einer Privatfirma hat er Ende der 50er Jahre die Zerstörungswut von SED-Funktionären in der damaligen Bezirkshauptstadt an fast allem, was aus Preußen stammt, miterlebt. Beispielsweise wurde die Bergung von barocken Sandsteinfiguren nur dilettantisch vorgenommen. So am ehemaligen Militärwaisenhaus. Die Verantwortlichen der Bauleitung, so Meyer, ließen durchblicken, dass sie eigentlich keinen Wert auf die wertvollen Sandsteinarbeiten legten.

Manfred Meyers Buch wäre interessanter und lebendiger geworden, hätte er mehr über seine Mitwirkung im Potsdamer Baugeschehen erzählt. Denn dabei, so spürt man, ist er ganz bei sich. Ansonsten ist die Veröffentlichung eine geschickt zusammengefasste Anthologie mit Ausschnitten aus bekannten und weniger bekannten Potsdam-Büchern. Doch die aufgesetzt wirkende Rahmenhandlung steht dem Ganzen im Wege. Klaus Büstrin

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