Kultur: Beck-Verlag entdeckt Preußen
Der Münchner Verlag hat erstmals zwei „Wissens“-Titel zu diesem Thema herausgegeben
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In seiner Reihe „Wissen“ hat der C.H. Beck-Verlag bisher etwa 180 Titel zur Geschichte herausgebracht. Preußen ist darin mit einem Bändchen über die Königin Luise vertreten. Nun aber hat der Münchner Verlag mit den Titeln „Die Hohenzollern“ und „Geschichte Preußens“ zum Doppelschlag ausgeholt, um dieses Defizit zu verringern. Die beiden komplexen Themen in jeweils knapp 130 Seiten zu pressen, setzt Konzentration auf das Wesentliche und die Kunst des Weglassens voraus. Für die Hohenzollern ist dies dem in Chemnitz lehrenden Historiker Frank-Lothar Kroll nicht recht gelungen.
Der Vorsitzende der Preußischen Historischen Kommission hält die biografischen Angaben über die Herrscher und ihre Familien äußerst kurz, bei der Darstellung ihres Wirkens setzt er den Schwerpunkt auf den Staats- und Verwaltungsaufbau. Dies geht zu Lasten anderer wichtiger Bereiche. Keinesfalls verziehen werden kann dem Autor, und nicht allein aus Potsdamer Sicht, dass er die landeskulturellen Leistungen der Hohenzollern bei der Schaffung der Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft mit ihren heute zum Welterbe zählenden Schlössern und Parken nur für die Zeit König Friedrich Wilhelms IV. streift. Der geniale Berater des Großen Kurfürsten, Fürst Moritz von Nassau-Siegen („Das gantze Eyland – die Insel Potsdam – muß ein Paradies werden“) kommt bei Kroll nicht vor.
Von einem Wissensspeicher erwartet der Leser, dass er über alle wichtigen Gegenstände des Themas prägnant und übersichtlich informiert wird. Der Berlinerin Monika Wienforth ist dies mit ihrer kurz gefassten „Geschichte Preußen“ gelungen. Schon erstaunlich, wie sie von der Außen- und Militärpolitik über die Toleranzpolitik, über Alltags- und Sozialgeschichte, die Herausbildung des Rechtsstaates, Wissenschaft, Bildung und Gesundheit bis hin zu den prägenden Persönlichkeiten Preußens – sogar der Hauptmann von Köpenick kommt vor – nichts Wichtiges auslässt. Und das nicht etwa lexikonhaft, sondern mit modernstem Geschichtsverständnis und manchmal recht gewagten Thesen. Beispiel: Hindenburg habe mit seiner Kamarilla durch die hohen staatlichen Hilfen für die herunter gewirtschafteten ostelbischen Güter zum Scheitern der Weimarer Demokratie wesentlich beigetragen.
Als „symbolischen Endpunkt der preußischen Geschichte“ könne man laut Wienfort den „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 bezeichnen, als die Nationalsozialisten sich des Erbes des alten Kulturstaates bemächtigten. Heute sei Preußen kein Staatsbegriff mehr, sondern ein Kulturbegriff. Dies drücke sich unter anderem im „preußischen Arkadien“ (der Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft) und dem Bemühen um seine Erhaltung aus. Man könne Preußen heute „ohne Schwarzweißmalerei“ zeigen.
Korrekturlesen hätte beiden in alter Rechtschreibung verfassten Büchlein gut getan. Da findet der Leser beispielsweise „beeinflußen“ und, wie peinlich, „Effie Briest“. Erhart Hohenstein
Kroll, Die Hohenzollern, Wienforth, Geschichte Preußens, Verlag C.H. Beck, München 2008, jeweils 128 Seiten, 7,90 Euro, ISBN 978-3-406-53626-7 und 978-3-406-56256-3.
Erhart Hohenstein
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