Kultur: Bedrohtes Arkadien
Friederike Sehmsdorfs Kunstkontor zeigt den zweiten Preußischen Frühling mit Bildern von Julia Theek, Rainer Ehrt und Nicolaus
Stand:
Potsdam ist preußisch, und preußisch ist ein Frühling selten. Ganz im Gegenteil, schlagen im Frühling doch die Bäume in alle Richtungen, die sich nur sehr selten nach militärischem Drill strecken.
Zwar gibt es im märkischen Preußen auch Wälder, die streng militärisch geordnet die kleinen Kiefernnadeln in den Wind recken, aber das frühlingshafte Aufbäumen der Natur nach dem Winterschlaf erinnert nur selten an die strikte Ordnung, der sich Preußen allzu oft verpflichtet fühlte. Allein das Frühaufstehen steht bei den Preußen und beim Frühling gleichermaßen ganz oben auf der Tagesordnung, denn wie käme ein Krokus daher, wenn er sich gegen 6 Uhr in der Früh noch verschlafen die Augen reiben würde? Nun, um einen militärischen Frühling geht es bei der Ausstellung „Preußischer Frühling II“ auch nicht, wenn auch die Erinnerung an Krieg und Militär als Subtext stets spürbar ist. Eine gewisse Strenge in Thematik und Form lässt sich aber im Kunstkontor von Friederike Sehmsdorf am arkadischen Jungfernsee dennoch ablesen.
Drei Künstler hat die Kuratorin in ihren rechtwinkligen Räumen vereint – da ist zunächst das Preußische Arkadien von Rainer Ehrt, der gerade mit dem Preis des Internationalen Cartoonwettbewerb ausgezeichnet wurde. Auf den ersten Blick erkennt man zwar seinen bekannten, detailreichen Strich, der karikaturale Blick Ehrts scheint hier jedoch eine Pause zu machen: Respekt zollt er den Schlössern, fein schwingen die Bänder der Hüte der „Mademoiselle“ bis zum Marmorpalais und gerade führt die Schneise durch den Märkischen Wald.
Doch ganz möchte – und sollte – Rainer Ehrt auf die Brechung durch den witzigen Kommentar nicht verzichten, da reckt das Fräulein kokett den Finger, da schwatzen die beiden Schatten auf der Großen Neugierde – und am Holzkopf Friedrichs des Großen, der einzigen Skulptur, prangt eine goldene Nase.
Nicht so leicht zu (er-)fassen ist dagegen das Werk von Nicolaus, schon allein sein Name erscheint rätselhaft und mythologisch zugleich. An Mythen erinnert er sich auch in seinem Gemälde „Diana züchtigt den Faun“, indem er in barocker, fast Pesnescher Manier die eigentlich brutale Szene in die etwas mysteriös wirkende, aber arkadische Pfingstbergszenerie integriert. „Einsam in Freiheit“ nennt der 1954 geborene Künstler das 2008 entstandene Gemälde, aus dem der Mops schräg aus dem Bild herausschaut und allein auf weiter Flur vor den Kolonnaden und einem riesigen, bewölkten Himmel seine Freiheit offenbar nicht wirklich genießt. Modern und violett-düster spiegelt sich der Himmel im „Neptunbecken“, das den Blick auf den Brauhausberg über die graffitibesprühte Eisenbrücke freigibt. Hier dräut der Preußische Frühling in all seiner düsteren Erbschaft der Moderne, auch wenn das Gemälde in altmeisterlicher Technik daherkommt.
Julia Theek ist die dritte Künstlerin, die sich mit Potsdamer und Preußischen Motiven beschäftigt – aber auf eine ganz andere Art. Sie fertigt – wohl nach Fotografien – Schablonen an und sprüht die in unterschiedlichen Kombinationen zusammengestellten Motive per Air-Brush zu einem Kunstwerk: Das Schloss aller Schlösser, Sanssouci, kommt in einem Vierteiler in vier Jahrhunderten daher: im Rohbau noch ohne Fenster, die Lücken blicken schwarz und tonlos auf den Betrachter, 1845 stehen die beiden beschnittenen Buchsbaumhecken wie Soldaten vor dem nun gelb gestrichenen Gebäude; 1945 sind die Fenster vermauert und wirken stumm gefesselt; 2045 ist es von innen erleuchtet, europafarben dunkelblau duckt sich das Dach vor einem goldenen Himmel.
Im Holländischen Viertel wirken die Häuser sehr dunkelrot, schwarze Schatten legen sich auf ihre Eingänge – eine Reminiszenz an die letzten DDR-Jahre, in denen dort eine Szene überlebte, die es nach dem Willen der Oberen eigentlich gar nicht geben durfte.
Julia Theek, die Multimediakünstlerin, präsentiert sich hier erstmals als Malerin mit einem interessanten Blick auf die altehrwürdige Schönheit, die durch die Air-Brush-Technik unbekannte Aspekte offenbart. Lore Bardens
Kunstkontor, Bertinistraße 16B, bis 21. Juni, Di-Mi 15-19 Uhr, Do 15-22 Uhr, Sa 13-18 Uhr, Tel. 0331/5817366
Lore Bardens
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