Kultur: Beeindruckende Bekenntnismusik
Singakademie Potsdam bekam bei „Vocalise“ erstmals ein Podium in der Erlöserkirche
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Robert Schumann lobte Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Paulus“ als „Juwel der Gegenwart“. In der Tat war es eines der beliebtesten Werke des 19. Jahrhunderts und wird auch heute noch gern von großen Chören gesungen, auch hin und wieder in Potsdam. Nun haben am Samstag der Sinfonische Chor sowie der Kinderchor der Singakademie Potsdam das Werk gemeinsam mit dem Neuen Kammerchor Potsdam unter der Leitung von Thomas Hennig in der Erlöserkirche aufgeführt. Es war ein Novum, dass der Chor in diesem Gotteshaus sang und während des Festivals „Vocalise“ ein Podium bekam. Damit verwirklichte das Konzert das diesjährige „Vocalise“-Motto „Mauern fallen“. In der Vergangenheit gingen sich die Singakademie und die kirchlich geprägten Chöre Potsdams weitgehend aus dem Wege. Mit Thomas Hennig konnte 2010 ein Dirigent gewonnen werden, der dem Chor neue Impulse gibt und mehr Offenheit gegenüber den anderen Klangkörpern der Stadt zeigt, ja sogar eine Zusammenarbeit anstrebt.
Nun dirigierte Hennig Mendelssohns Oratorium „Paulus“ in der Erlöserkirche. Es ist das Werk eines Frühvollendeten, dessen sakrales Oeuvre eine Brücke vom Barock zur Romantik spannt. Mit dem „Paulus“ wurde dem jugendlichen Komponisten 1831 vom Frankfurter Cäcilien-Verein ein Stoff angeboten, in dem er sich möglicherweise auch selbst erblickte. „Ich bin ein jüdischer Mann , unterwiesen nach der Strenge des väterlichen Gesetzes, wie ihr alle heute seid, ein Eiferer für Gott“, berichtet Paulus in der Apostelgeschichte, eine Passion, die ihn für die Menschen in den Tod führte. Mit der Singakademie Potsdam, dem Neuen Kammerorchester Potsdam sowie den kompetenten Solisten Christine Wolff, Sopran, Karin Lasa, Alt, Michael Zabanoff, Tenor, und Kai-Uwe Fahnert, Bass, stand dem Dirigenten eine große Schar trefflicher Sängerinnen und Sänger sowie Musiker zur Verfügung, die die Lebensmomente des Apostels packend nachzeichneten. Schon die choralhaft einsetzende Ouvertüre mit ihren lyrischen und dramatischen Höhepunkten wies den Zuhörern den Weg in eines der großen romantischen Oratorien. Das temperamentvolle, geschmeidige Singen des Chores, seine unter der leidenschaftlichen Führung Hennigs explosive Steigerungsfähigkeit, aber auch seine Fähigkeit, sich mit feiner Sensibilität zurückzunehmen, schlug das Auditorium in den Bann.
Kai-Uwe Fahnert als Paulus präsentierte mit makellos geführtem Bass beispielsweise die Arie „Gott sei mir gnädig“, ein mit herrlichen Oboen- und Fagottlinien begleitetes Mendelssohnsches „Lied mit Worten“, oder das machtvolle Solo „Ihr Männer, was macht Ihr da?“ als beeindruckende Bekenntnismusik. Die Sopranistin Christine Wolff offerierte vor allem in den erzählerischen Partien von Anfang an bis zum Schluss eine große Ausdruckskraft. Der Tenor Michael Zabanoffs wirkte zunächst nicht immer ausgeglichen. Doch im zweiten Teil gewann er an Fahrt, legte deklamatorisch zu, sodass die Zuhörer dann auch von ihm eine abgerundete Leistung zu hören bekamen. Schade, dass Mendelssohn das Solo-Alt so stiefmütterlich behandelte. Gern hätte man dem warmen Timbre von Karin Lasa mehr gelauscht.
Das verstärkte Neue Kammerorchester, das in den „Vocalise“-Tagen viel beschäftigt ist, lieferte auch an diesem Abend die instrumentale Basis mit sorgfältiger dynamischer Abstimmung und Zuverlässigkeit. Klaus Büstrin
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