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Kultur: Beethoven im Schnellgang Peter Simonischek

überzeugte im Nikolaisaal

Stand:

Der Nikolaisaal liegt in schummerigem Halbdunkel, nur zwei Scheinwerfer beleuchten abwechselnd die beiden Akteure auf der Bühne. Viel zu sehen gibt es nicht beim Beethoven-Projekt von Peter Simonischek, dafür aber umso mehr zu hören. Worte und Töne bilden die Essenz der gut besuchten „Pilgerreise zu Beethoven“. Die beiden Reisebegleiter, Schauspieler Peter Simonischek und Pianistin Elena Nesterenko, offerieren den Zuhörern prägnante Ausschnitte aus Leben, Werk und Wirkung des großen Komponisten. Klar ist, dass dabei nur „Einblicke in das Innere eines Genies“ gegeben werden können, wie Simonischek zu Beginn erklärt.

Lässig und imposant sitzt der großgewachsene, gut aussehende Österreicher mit weißer Mähne, offenem Hemdkragen und dunklem Anzug am Tisch. Ein vierzigjähriges Berufsleben auf renommierten deutschsprachigen Bühnen, darunter zwanzig Jahre lang an der Berliner Schaubühne, anschließend am Wiener Burgtheater sowie als „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen haben markante Spuren hinterlassen und, jedenfalls rein äußerlich und stimmlich, ein männliches Prachtexemplar geformt. Über der Textauswahl könnte als passendes Leitmotiv Friedrich Schillers Vers „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“ stehen, denn der Abend beginnt im Ton tiefster Verzweiflung und endet mit heiterer Ironie.

Immens ist die Tragik im Heiligenstädter Testament, wo Beethoven sein Leben beklagt und die Kunst zur Retterin erklärt. Doch gleich danach versichert Amphytrion Simonischek mit leicht gedehntem, österreichischem Akzent dem Publikum, dass es nicht nur Herzzerreißendes zu hören bekäme. Macht sich da Erleichterung oder Enttäuschung breit? Soll Beethoven vom Sockel des unsterblichen Künstlers gehoben werden oder wird Beethoven ganz irdisch-menschlich präsentiert? Keines von beidem, aber von allem etwas, lautet die Entscheidung. Nach einem knappen Blick auf Beethovens Jugend folgen Zitate aus Briefen an die geschätzte Bonner Freundin Eleonore von Breuning und an den Wiener Verleger Artaria sowie kuriose Tagebuchnotizen über den abrupt schnellen Wechsel der Dienstboten im Hause Beethoven. Einsamkeit umwehte ihn da wohl oft. Und unendlich große Liebessehnsucht, leider vergeblich. Denn Beethoven, „der unglückliche Verwirrte, der sehnsuchtsvoll Verliebte“, kann die Geliebte weder mit Worten noch mit Tönen erreichen, wie es im Brief „An die Unsterbliche Geliebte“ heißt. Von den unzähligen posthumen Äußerungen werden nur wenige zitiert. Dabei gelangt Simonischek vom hohen Pathoston inniger Verehrung der Bettina Brentano zum hemdsärmeligen Humor in Richard Wagners „Pilgerfahrt zu Beethoven“. Glücklicherweise rücken die insgesamt klug beschränkten Textbeiträge die Musik ins rechte Licht, darunter einige der berühmtesten Klavierwerke. Nicht nur in der Mondscheinsonate und in der Pathétique, beide nur kurz vor dem Heiligenstädter Testament entstanden, wurde Beethoven oft allerpersönlichster Ausdruck attestiert.

Die russische Pianistin Elena Nesterenko spielt mit Feinsinn, Geschmeidigkeit und viel Verve. Da irrlichtern die funkelnden Passagen in der „Wut über den verlorenen Groschen“, da stampfen die Staccati, gleißen die Triller im punktierten Rhythmus der Sonate op. 57 „Appassionata“. Mit dem vehement virtuos gespielten ersten Satz von Beethovens letzter Sonate op. 111 endet die im besten Sinne bildungsbürgerliche Kunstveranstaltung. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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