Kultur: Begeistert – aber ohne Geheimnis Orchesterwoche endete in der Friedenskirche
Musik im Schauspiel kommt heute allenfalls vom Band und übernimmt lediglich stimmungsmachende Funktionen. Einen künstlerischen Eigenwert beanspruchen Schauspielmusiken nicht mehr.
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Musik im Schauspiel kommt heute allenfalls vom Band und übernimmt lediglich stimmungsmachende Funktionen. Einen künstlerischen Eigenwert beanspruchen Schauspielmusiken nicht mehr. Im 19. Jahrhundert aber waren die gang und gäbe. Komponisten wie Beethoven, Schubert oder Mendelssohn Bartholdy machten aus der Schauspielmusik eine eigene Kunstform. Zum Auftakt des Konzerts hat Dirigent Matthias Salge Felix Mendelssohn Bartholdys Ouvertüre zu „Ruy Blas“ ausgewählt. 1839 schrieb der Komponist das feierlich-warmherzige Stück, das auch mit einer verhaltenen Dramatik aufwarten kann, für die Aufführung von Victor Hugos Schauspiel am Leipziger Theater.
Die Musiker der Potsdamer Orchesterwoche, die traditionell nach drei Konzerten in Paretz, Kloster Lehnin und auf Hermannswerder zum Finale in die Friedenskirche Sanssouci kamen, gingen die Mendelssohn-Ouvertüre etwas bedächtig, insgesamt aber solide an. Doch das Beste war, dass es dem Orchester, das sich weitgehend aus Amateuren, Musiklehrern und Studierenden zusammensetzt, niemals an Begeisterung mangelte. Auch Dirigent Matthias Salge, Musiklehrer am Evangelischen Gymnasium auf Hermannswerder, animierte die mehr als 40 Musiker zu einem ansteckend frohgemuten Musizieren, bei dem künstlerische Ernsthaftigkeit jedoch nie verloren ging.
Im romantisierenden Geist ist „Die versunkene Kathedrale“ von Claude Debussy angesiedelt. Der französische Impressionist komponierte das Werk innerhalb seiner „Préludes“ für Klavier. Walter Thomas Heyn hat daraus eine Orchesterfassung gemacht. Das Auftauchen, Erstrahlen und Wiederabsinken des uralten Gebäudes wurde wunderbar inszeniert. Heyn hat die Farben der Orchesterstimmen so verschmolzen, dass eine geheimnisvolle Atmosphäre entstehen kann.
Die war in der Interpretation der Orchesterwoche jedoch nicht immer gegeben – das impressionistische Stimmungsgemälde hätte mehr leise Töne und flirrende Klänge bei den Streichern vertragen. Besonders hervorzuheben ist Matthias Salges Entscheidung, neben der Sinfonie Nr. 8 G-Dur op.88 von Antonin Dvorak mit ihrem sonnigen, pastoralen Charakter die Studie für Streichorchester von Pavel Haas im Programm aufzunehmen. Der tschechisch-jüdische Komponist wurde 1941 von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt, 1944 dann nach Auschwitz gebracht und ermordet.
Die Studie für Streichorchester, die Haas in Theresienstadt schrieb, ist eine rhythmisch akzentuierte Musik, die Hoffnung in der Welt des Todes aufscheinen lässt. Matthias Salge hat die Streicher der Orchesterwoche bestens für die Aufführung vorbereitet, sodass eine eindringliche Wiedergabe entstand, die den hohen Ansprüchen des Werkes gerecht wurde.
Die 8. Sinfonie von Dvorak, komponiert in der Sommerfrische seines Landsitzes Vysorká, imponiert immer wieder durch die reiche Lyrik, doch auch durch manch überraschende Tiefe. Die Musikerinnen und Musiker der Orchesterwoche versuchten immer wieder, durchaus auch mit Erfolg, die Stimmungswechsel der Sinfonie hörbar zu machen. Aber vor allem begeisterten sie durch die natürliche Frische und Freudigkeit ihres Musizierens. Der Beifall war entsprechend groß. Klaus Büstrin
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