Kultur: Bei diesen Mackern: Zickenterror Händel und Telemann im Geschlechterkampf
Apollos Drache ist hier ein Gummihai. Einer, um den sich die Kleinsten im Schwimmbad vor Begeisterung balgen würden.
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Apollos Drache ist hier ein Gummihai. Einer, um den sich die Kleinsten im Schwimmbad vor Begeisterung balgen würden. Apollo rückt diesem aufgeblasenen Spielzeug mit einer Entschlossenheit zu Leibe, als gelte es noch einmal, Griechenland von einer großen Plage zu befreien. Und so drückt er mit aller Kraft dem Hai die Luft aus der Plastikhaut und singt. Doch Dafne lässt sich davon wenig beeindrucken. Sie verbirgt sich hinter der Sonnenbrille, genießt die Sonne und blättert lieber in einer Modezeitschrift. Vespetta dagegen ist solchen Posereien gegenüber aufgeschlossen. Doch muss sie sich der Avancen des Pimpinone erwehren.
Der bevorstehende Geschlechterkampf lag am Samstag förmlich in der Luft des Jungen Theaters in der Reithalle A. Studenten der Hochschule für Musik Detmold hatten Georg Friedrich Händels Kantate „Apollo e Dafne“ und Georg Philipp Telemanns „Pimpinone“ unter dem programmatischen Titel „Macker & Zicken“ auf die Bühne gebracht. Der Schauplatz ist nicht das mythische Griechenland oder das Haus des reichen Alten Pimpinone. Die Freundinnen Dafne und Vespetta treffen in einem Schwimmbad oder einem dieser günstigen Ferienhotels im Süden auf Apollo und Pimpinone. Zwei vor Selbstbewusstsein strotzende Jünglinge, die nur eines an den Swimmingpool treibt: Die erfolgversprechende Jagd nach dem weiblichen Geschlecht. Dem ersten Blickkontakt von Luftmatratze zu Luftmatratze folgen die üblichen mehr oder weniger erfolgversprechenden männlich-übertriebenen Balzrituale. Und wie Regisseur Manfred Roth und Christoph U. Meier, musikalische Leitung und Cembalo, die beiden Paare umeinander kreisen lassen, zeigen sie spielerisch, dass sich am männlich-weiblichen Zwischenmenschlichem seit der Antike nichts verändert hat.
Zuerst sind Apollo und Dafne zu erleben. Auf Ovids Metamorphosen zurückgehend, umwirbt hier ein in rasender Liebe entflammter Apollo die sich wehrende, aber auch von ihren Gefühlen hin- und hergerissene Nymphe Dafne. Baekeun Cho gab mit lyrischem Bariton den Apollo, der keinen Widerspruch duldete, Esther Mertel mit weichem Sopran die Dafne, der am Ende nur die Flucht in die Verwandlung blieb, die sich hier aber nicht wie es Ovid beschreibt, in einen Lorbeerbaum, sondern in eine Gummipalme verwandelte.
Im zweiten Teil dann Telemanns Pimpinone, die so beliebte Geschichte eines alten, reichen Mannes, den Einsamkeit und Liebestollheit dazu treibt, seine verschlagene Magd Vespetta zu ehelichen, um am Ende erkennen zu müssen, dass er sich statt des ersehnten Glückes eine Verbündete des Leibhaftigen ins Haus geholt hat. Mit welcher Frische Magdalena Harer und Andreas Wolf dieses so ungleiche Pärchen spielten, war uneingeschränkt sehens- und hörenswert, wobei hier vor allem Andreas Wolf mit seinem facettenreichen Bass begeisterte. Musikalisch getragen und getrieben wurden diese Stänkereien von einem studentischen Kammerensemble unter Leitung von Christoph U. Meier.
Am Ende dann, nach dem der Geschlechterkampf zwischen den beiden Paaren in finalen Handgreiflichkeiten mündete, wo selbst Luftmatratzen und Sonnenschirm als Waffen dienten, begeisterter Applaus auf den nur etwas über die Hälfte besetzen Rängen. „Macker & Zicken“ ist eine erfrischende, über zwei Stunden kurzweilig bleibende Vermischung von Händel und Telemann, an deren regietechnischer Verjüngungskur nur manch Konservativer etwas zu mäkeln hätte. Da „Macker & Zicken“ im Jungen Theater aufgeführt wurde, sollte es vor allem jugendliche Besucher neugierig machen. Doch von denen war leider nur eine Handvoll gekommen. Dirk Becker
Dirk Becker
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