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Kultur: Beifallsstürme für Fünf- Sterne-Spiel David Frays Klavierabend

im Nikolaisaal

Stand:

Der französische Pianist David Fray wird immer wieder mit dem Kanadier Glenn Gould verglichen. Vor allem bei seinen Bühnenauftritten, die von großer Zurückhaltung, Dünnhäutigkeit und von einer gewissen Exzentrik gekennzeichnet sind. Und von einem ganz tiefen Versenken in das Klavierspiel allemal. Fray möchte jedoch nicht mit Gould verglichen werden. Eher mit dem Potsdamer Wilhelm Kempff. Dessen klangsinnlichen Interpretationen liegen ihm mehr. Es scheint, dass der 29-jährige Pianist Bach, Mozart oder Beethoven zu seinen Hausheiligen erklärt hat.

Am Sonntagabend hat David Fray einen Soloabend im ausverkauften Nikolaisaal gegeben. Werke von Mozart und Beethoven standen auf dem Programm. Natürlich erwartet der Besucher von einem Ausnahmekünstler wie Fray ein Konzert, das von A bis Z überzeugt, ja begeistert. Aber Pianisten sind glücklicherweise keine Roboter. Da gab es beim Entree-Stück, der Sonate D-Dur KV 311 von Wolfgang Amadeus Mozart beim Zuhörer einige Irritationen. Es schien, als ob Fray jegliche Mozart’sche Anmut aus dem Werk vertreiben wollte. Vielleicht aus Angst, der viel geschmähten Kuschel-Klassik Raum zu geben? Die eher sachliche Feinzeichnung, die er bevorzugte, war oftmals scharfkantig, organische Linien gab es wenige. Die Interpretation hatte kaum Wärme parat. Sie klang kühl analytisch, direkt.

Auch bei der anschließenden D-Dur Sonate Nr. 15 op. 28 von Ludwig van Beethoven hatte man Bedenken, dass dem Zuhörer die musikalische Erfüllung versagt wird. Die beiden ersten Sätze blieben zwar noch im engen Korsett der Analyse gefangen. Doch mit dem Scherzo und vor allem mit dem Rondo kam plötzlich ein frühlingshaft duftendes Spiel und eine expressive Intensität zutage, die auf beglückende Interpretationen nach der Pause hoffen ließen.

Und sie kamen. Und wieder Mozart und Beethoven. Zunächst erklang die Fantasie c-Moll KV 475 des Salzburger Meisters. Natürlich gab Fray auch hierbei den Blick auf Strukturen und Prozesse frei. Doch er vermochte dabei, tief nach innen gekehrt, eine poesievolle Interpretation vorzulegen, die berührte. Farbenreich und dynamisch ausgeklügelt erklang das Werk, in jedem Augenblick Kraftstrotzendes vermeidend. Die Abgründigkeit, die die melancholisch-traurige Fantasie in ihrer Ruhe und auch Dramatik aufzuweisen hat, wird mit einem phänomenal tief lotenden Anschlag auf dem Steinway-Flügel erreicht.

Höhepunkt des Konzerts wurde aber die „Waldstein“-Sonate in C-Dur Nr. 21 op. 53 von Beethoven. Mit diesem Werk, das in vollkommener Weise den Geist der Klassizität verkörpert, bedankte sich Beethoven bei seinem Bonner Förderer Ferdinand Graf von Waldstein. Fray vertiefte sich auch in dieses Meisterwerk. Da flogen seine Finger über die Tastatur. Imposant die Sechzehntelfiguren im Bass, bei denen der Pianist die einzelnen Töne fast zu einer Klangfläche verschmelzen ließ. Er zeigte im kurzen zweiten Satz, der Introduzione, wie fragil und melancholisch der Flügel klingen kann. Und wie sehr David Fray es versteht, die Spannung für das Schlussrondo der Sonate aufzubauen! Akkorde türmte er dann auf, die wie Felsen unverrückbar in der Brandung standen, um sogleich blütenzarte perlende Figuren erklingen zu lassen. Ein Fünf-Sterne-Klavierspiel, das zu begeisternden Beifallsstürmen hinriss. Klaus Büstrin

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