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Sinfoniekonzert der Kammerakademie: Bendas „Medea“ und Solistin Eberle

Sie ist wohl die berühmteste Mörderin in der westlichen Literatur. Die Zauberin Medea bringt nicht nur ihre beiden Söhne um, sondern gleich auch noch die neue Frau ihres Mannes sowie deren Vater.

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Sie ist wohl die berühmteste Mörderin in der westlichen Literatur. Die Zauberin Medea bringt nicht nur ihre beiden Söhne um, sondern gleich auch noch die neue Frau ihres Mannes sowie deren Vater. Ihren Ex Jason lässt sie überleben, damit er das Schicksal der Kinderlosigkeit erleidet. Dass gerade diese düstere Geschichte im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder neu gedacht, geschrieben und inszeniert wurde, gibt Stoff zum Nachdenken. Zweifellos bietet diese Gestalt der Extreme auch viel Zündstoff für das Theater. Nicht ohne Grund verkörperten die größten Schauspielerinnen die rachsüchtige Liebende.

Jetzt bringt die Kammerakademie Potsdam (KAP) das archaische Drama einmal ganz anders auf die Bühne des Nikolaisaals – als Melodrama von Georg Anton Benda. Nach seiner Anstellung als zweiter Geiger in der Hofkapelle von Friedrich II. gelangte der zur berühmten Potsdamer Musikerfamilie gehörende Komponist nach Gotha. Dort stand er 28 Jahre als Kapellmeister und schließlich als Hofkapelldirektor im Dienst des Herzogs von Gotha, der ihm auch eine Studienreise nach Italien finanzierte. Dort und im kulturell aufgeschlossenen Klima des Gothaer Hofes fand Benda viele Anregungen, die ihn zu einem der fortschrittlichsten Komponisten seiner Zeit werden ließen. Frühzeitig lehnte er die opera seria, die von Friedrich II. noch lange kultiviert wurde, ab und wandte unter sich neuen Formen zu, wie dem szenischen Singspiel und dem Melodrama, das er in Deutschland begründete. Nachdem Mozart zwei von Bendas Melodramen in Mannheim gesehen hatte, schrieb er an seinen Vater: „ mich hat noch niemals etwas so surpreniert! Was ich gesehen habe war Medea von Benda – er hat noch eine gemacht, Ariadne auf Naxos, beyde wahrhaft – fürtrefflich; Sie wissen, dass Benda unter den lutherischen Kapellmeistern immer mein Liebling war, ich liebe diese zwei Werke so, dass ich sie bei mir führe.“

Das Melodrama als freies Gebilde von Rede und Musik war im Umfeld der Aufklärung durch Jean-Jacques Rousseau entstanden. Selbst Goethe schätzte dessen Melodrama „Pygmalion“ so sehr, dass er gleich selber eines schrieb, die Proserpina. Auch der Textdichter von Bendas „Medea“, der Gothaische Geheimsekretär Gotter, war ein Vertreter der Moderne seiner Zeit. Er reduzierte das Drama auf den heftigen Konflikt zwischen Liebe und Hass im Inneren der Hauptfigur, ganz im Sinne der neuen Bürgerlichkeit. Medea erscheint nicht als mordendes Monster und Rachegöttin, sondern als verletztes Individuum, das allmählich in geistige Umnachtung fällt.

Was Mozart vor allem begeistert haben dürfte, ist die ausdrucksvolle Musik. Von den ersten Takten an entwickelt sie eine kraftvolle Eigendynamik jenseits der Worte – der Aufschwung der Instrumentalmusik kündigt sich an. In der Potsdamer Aufführung wird die Medea von der Schauspielerin Anna Thalbach gesprochen, die damit künstlerisches Neuland betritt. Doch damit ist das erste Sinfoniekonzert der Kammerakademie unter der Leitung von Antonello Manacorda, das unter dem Titel Heimspiel steht, nicht erschöpft. Mit dem Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy erklingt eines seiner beliebtesten Werke überhaupt. Der Komponist weilte mehrfach in Potsdam und führte einige Bühnenmusiken, darunter den wunderbaren Sommernachtstraum, im Neuen Palais auf. Als Solistin ist die hoch gelobte junge Geigerin Veronika Eberle zu hören, die in diesem Jahr Artist in Residence der Kammerakademie ist. Auf dieses besondere Konzert darf man gespannt sein. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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