Kultur: Bereichernd- turbulente Musikkunde „Märchenhafte Klassik“
im Nikolaisaal
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Manchmal kommen die Dinge aber auch recht wunderlich zusammen. Im Rahmen der Benefiz-Aktion „Klingender Advent“ organisierte das Große Waisenhaus mit seinen Partnern vier konzertante Veranstaltungen zugunsten der musikalischen Elementarbildung von Potsdamer Vorschulkindern. Nicht jeder Knirps erfährt ja zur rechten Zeit, was Musik ist und bewirkt. Im ausverkauften Nikolaisaal, die Hälfte des Publikums bestand aus kleineren Kindern, fand diese Reihe am Sonntagnachmittag ihr vorläufiges Ende. Die Brandenburger Symphoniker unter Leitung von GMD Michael Helmrath und der vom Kulturradio des RBB her bekannte Sprecher Stephan Holzapfel luden Groß und Klein zu einem russischen Nachmittag ein. Der Titel „Märchenhafte Klassik“, Namen wie Nikolai Gogol, Nikolai Rimski-Korsakow und Sergej Prokofjew füllten das Haus bis zur Empore. Nikolaisaal-Chefin Andrea Palent ist mit dem Geschäftsjahr zufrieden, mit dem „Dialog der Temperamente“, Angebot und Auslastung stimmen – eben auch bei dieser tollen „Klassik am Sonntag“.
Vielleicht wird der eine oder andere daheim nachlesen, worin der Unterschied zwischen Gogols Erzählung „Die Nacht vor Weihnachten“ und Holzapfels eigener „Erzählfassung“ besteht. Jedenfalls berichtete er von einem ungewöhnlichen Vorfall auf dem Weiler bei Dikanka. Hier liebt der Schmied und Hobbymaler Wakula die schöne Oxana, indes der Teufel sogar den Mond klaut, um dem frommen Gesellen eins auszuwischen. Die Dorfschöne verlangt jedoch vom Schmied einen Preis für ihre Eroberung, nichts weniger als die Pantoffeln der Zarin, was diesem mit Hilfe seines Widersachers auch gelingt. Gogols romantischer Stoff wurde etliche Male vertont, von Tschaikowski zum Beispiel, doch muss man es wohl einfach stehenlassen, wenn die Programmgestalter ihn nicht mit einer Originalkomposition verschmolzen, sondern ein Surrogat für den „musikalischen Hintergrund“ wählten. Nikolai Rimski-Korsakows gleichnamige Bühnendichtung sei von „insgesamt recht schwacher musikalischer Substanz“, las man erstaunt im Programmheft. Als etwas zweifelhafter Ersatz wurde die dreisätzige Suite aus seiner Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan“ op. 57 ausgewählt, eine kraftvolle Tonmalerei. Na ja, dem Nachmittag hat das zumindest nicht geschadet, die Kinder waren mucksmäuschenstill.
Ganz anders dann nach der Pause, als der Sprecher, vor dem Orchester zentral an der Rampe harrend, Prokofjews Märchen „Peter und der Wolf“ erzählte. Etwas Musikkunde vorweg: Jedes Instrument wurde vorgestellt und mit einiger Turbulenz abgefragt – man sah, was musikalische Früherziehung bewirken kann: Ob Flöte oder Fagott, Oboe oder Horn, alles wussten die Kleinen. Viele kannten auch diese Komposition, ein seltener Fall vollkommener Kongruenz zwischen Bühne und Parkett. Die Hörner vergessen? „Eins haben wir noch!“ Es war ein Vergnügen, den Erzähler erzählen zu hören, den Musikern bei der herzerfrischenden Art ihrer Darbietung zuzuschauen, auch sie hatten ihre Freude, als Peter den Wolf fing. Benefiz für die musikalische Früherziehung einerseits, wohlunterrichtete Kinder auf der anderen, vielleicht hat es am Weihnachtsfest selber gelegen, dass beides im Nikolaisaal so günstig zusammenkam. Gerold Paul
Gerold Paul
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