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Von Almut Andreae: Bereitschaft zum Experiment

Aufbruchstimmung in der Sperl Galerie: Sie will Plattform für junge Künstler aus der Region werden

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Das üppige Platzangebot in den neuen Ausstellungsräumen von Rainer und Ursula Sperl verfehlt nicht seine Wirkung. Ende November war die Galerie in die ehemalige Humboldt-Buchhandlung am Kanal eingezogen. Zwei Etagen auf einer Gesamtfläche von 400 Quadratmetern, riesige Schaufenster und reichlich Tageslicht bereiten der hier gezeigten zeitgenössischen Kunst einen respektablen Rahmen. Doch damit nicht genug. Sogar das Kunstdepot nimmt das neue Refugium noch locker auf. Wo einst Lyrik und Reclam-Bändchen die Regale füllten, residiert nun die Bildende Kunst. Angesichts des reichen Angebots an Zeichnungen, Druckgraphiken, Skulpturen und Gemälden von Künstlern der Galerie vergisst man hier gerne die Zeit. Die Möglichkeit, über die aktuelle Ausstellung hinaus Originale in Hülle und Fülle zu sichten, ist für die Kunst-Anbieter und ihre Kundschaft in gleicher Weise attraktiv.

Bei aller Euphorie lehnen sich die beiden Galeristen aber nicht zufrieden zurück. Im zweiten Monat nach seiner Ankunft am Kanal 47 hat Rainer Sperl vorerst noch damit zu tun, innerlich richtig anzukommen. Tatsächlich scheinen zwischen dem im April 1991 in der Mittelstraße 30 bezogenen Galeriequartier und dem jetzigen Standort Welten zu liegen. Nach ihrem Abschied aus dem Holländischen Viertel vor einem guten Jahr hat die Odyssee der nach einem neuen Galeriestandort Ausschau haltenden Sperls fast ein Jahr darauf zumindest ein vorläufiges Ende genommen. Die leer stehende ehemalige Buchhandlung neben der Stadt- und Landesbibliothek bot sich an als Interimslösung und willkommenes Ausweichquartier.

Die Ausstellung, mit der die Sperl Galerie hier ihren Einstand hält, vereint immerhin 27 Künstlerinnen und Künstler, die jeweils mit um die drei Arbeiten in kleinem bis mittelgroßem Format vertreten sind. Das gezeigte Spektrum mit Gemälden, Druckgraphik, Zeichnungen, Hinterglasmalerei, Skulptur und Installation spiegelt unmittelbar das Galerieprofil wider. Den seit vielen Jahren fest zum Galeriestamm gehörenden Künstlern wie Wolf-Dieter Pfennig, Hans Hendrik Grimmling, Dieter Zimmermann und Malte Brekenfeld werden in der themenfreien Gruppenausstellung auch neue Namen an die Seite gestellt.

Besonders positiv fällt hier Alexander Gutsches Serie „Lustige Blätter“ aus dem Jahr 2007 in den Blick, aus der neun Zeichnungen gezeigt werden. In der Finesse ihrer Ausführung und der Affinität zum Hintersinnigen, Skurrilen erweist sich der vor 40 Jahren in Potsdam geborene und jetzt in Leipzig lebende Künstler einmal mehr als begnadeter Zeichner. Dass er über die Zeichnung und das kleine Format hinaus noch ganz andere Register zu ziehen vermag, hat er längst bewiesen.

Weiterhin ins Auge fallen beim Rundgang durch die Ausstellung mehrere Objekte von Rainer Fürstenberg, zum Teil von buchstäblich zündender Kraft. Sowohl seine Nachbildung des Berliner Reichtagsgebäudes mit dem Titel „und wofür können Sie sich erwärmen?“ als auch der Miniatur-Flügel („Das burning out Syndrom“) mit leicht entflammbarer Tastatur – beides Objekte aus Stahl – sind mittels der Zugabe von Brennspiritus in ihrer subversiv gefärbten Intention durchaus noch steigerbar. Da wirken die aktuellen Kopf-Bilder von Malte Brekenfeld in Mischtechnik auf Leinwand, von denen vier Beispiele zu sehen sind, geradezu seelenverwandt. Allem voran das Bildnis „Die Entrückte“, bei der sich die Büste einer verschleierten Nonne durch die Beigabe von realen Mohnkapseln und den verräterisch hervorlugenden Zündschnüren eines Sprengstoffgürtels alles andere als harmlos erweist.

Neben provokanten Arbeiten wie diesen dominiert in der Ausstellung in quantitativer Hinsicht dennoch die leichtere Kost. Abstrakte Gemälde und Zeichnungen oder Humorvolles zeigen weitere Facetten des Galerieprogramms. An dem bisher vertretenen Konzept, schwerpunktmäßig Künstler aus Brandenburg zu zeigen, hält die Sperl Galerie auch weiterhin fest. Noch stärker als bisher sollen künftig junge, noch nicht etablierte Künstler hier eine Plattform finden.

Die Bereitschaft zum Experiment steht Rainer Sperl förmlich ins Gesicht geschrieben. Der Ungewissheit darüber, was ihn ab dem Sommer mit Ablauf des vorläufigen Mietvertrages erwartet, begegnet er scheinbar gelassen. Die Zeit bis dahin nutzt er damit, neue Ideen zu entwickeln, Zukunftsfantasien auch, in denen der Dialog zwischen Raum und Kunst deutlicher in den Fokus rückt. Die Perspektive, große Formate zu zeigen, nicht zuletzt auch endlich mal großformatige Skulptur, setzt da allen Unwägbarkeiten zum Trotz gänzlich neue Kräfte frei.

„Jeder muss sein Profil entwickeln“, meint Rainer Sperl und beschreibt damit ein Gebot der Stunde, das in diesem Jahr angesichts bedrohlicher Mieterhöhungen im Luisenforum gleich mehrere Kunstakteure betrifft. Ob man angesichts des Standort-Dilemmas als räumliche Schicksalsgemeinschaft an einem Ort weiter fortbesteht oder doch eher im Alleingang, ist für Sperl nicht vordergründig. Das Jahr 2010 wird für die Potsdamer Kunstvereine und einige Galeristen ganz gewiss kein Spaziergang werden. Doch birgt die anstehende Bestandsprobe auch die Chance, das eigene Profil neu unter Beweis zu stellen.

Die Ausstellung „Kleine Formate No. 15“ endet am 31. Januar. Öffnungszeiten: Mi bis So 12-18 Uhr, Am Kanal 47.

Almut Andreae

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