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FREITAGS: Beschmutzt

Klaus Büstrin über den 21. März 1933 und die Garnisonkirche

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Der Dichter Reinhold Schneider, der von 1932 bis 1938 in Potsdam lebte, erinnerte sich an die Reden Hitlers, die aus der Nachbarwohnung in seine Dachstube drangen. Der dortige „Volksempfänger“ wurde immer dann zur Fortissimo-Lautstärke aufgedreht, wenn Hitler sprach. Aber Schneider fragte sich, wie man sich solcher Stimme, die „niemals lügend log“, freiwillig aussetzen könne. Auch die Rede, die Hitler am 21. März 1933 bei der Eröffnung des Reichstages in der Garnisonkirche in Anwesenheit des Reichspräsidenten Hindenburg hielt, erfasste ihn wohl mit Ekel: „Wir wollen (...) diejenigen zusammenfügen, die eines guten Willens sind, und diejenigen unschädlich machen, die dem deutschen Volke zu schaden versuchen.“ Die Garnisonkirche wurde von Hitler und seinen braunen Horden, auch von vielen Monarchisten, derart mit Schmutz beworfen, dass der Dichter über Hitler und seine Taten nur mit dem Gedicht „Der Antichrist“ antworten konnte: „Und niemand ahnt, dass Satan aus ihm spricht.“ Reinhold Schneider hat sich stets gefragt, weshalb sich ein Volk nur derart verführen lassen, so geschichtslos leben konnte. Die Garnisonkirche von deren Turm das Glockenspiel als „unerbittliches Maß der Zeit“ halbstündlich und stündlich über Potsdam klang, wurde 1945 bei ihrer Zerstörung Opfer der Verbrechen Hitlers – in erster Linie. Der 21. März 1933, der „Tag von Potsdam“, war dafür der symbolische Auftakt. Heute veranstaltet die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche ein Symposium. Der „Tag von Potsdam“ steht im Mittelpunkt. Richtig: Denn die Nachgeborenen müssen sich damit immer wieder auseinander setzen, in erster Linie die, die die kostbare Kirche Friedrich Wilhelms I. wieder aufbauen wollen.

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