Kultur: Beschriebene Übermalte
Lothar Krones Porträts „Immer die Gleichen“ im Schreibwerk
Stand:
Lothar Krones Porträts „Immer die Gleichen“ im Schreibwerk Der Gedanke kommt einem in Potsdam wirklich häufiger: Immer die gleichen Namen, die da mitmischen und „Kultur“ machen. Der vom Potsdamer Künstler Lothar Krone gewählte ironische Titel trifft in gewisser Weise sogar seine eigene, nun in den Räumen des Schreibwerks im Luisenforum ausgestellte Serie von Frauenporträts. Denn unweit vom Hinterhof der Brandenburger Straße, in der Galerie Samtleben, zeigte vor kurzem Claudia Hauptmann ebenfalls eine Auswahl entscheidender „Potsdamen“. Die Frauen sind es anscheinend, die in dieser Stadt faszinierend sind. Krones Fragestellung weist allerdings in die der klassischen Porträtmalerei entgegengesetzte Richtung. Sein Ausgangspunkt ist das Foto, das immer nur eine Momentaufnahme ist. „Was, das bin doch gar nicht ich!“ ruft mancher Fotografierte. Die Fotografie ist ein in seiner rätselhaften Objektivität trügerisches Spiegelbild, das, so glaubt Krone, sich bereits im Moment der Aufnahme von der dargestellten Person entfernt hat. Um das Subjektive zu erhalten, bat er seine Damen außerdem um ein Wort, und – wohl wegen des Symbols der Dauerhaftigkeit – um die Überlassung eines Steins. Die von Krone in mehreren Schritten verfremdeten Bilder versuchen nun eine Struktur freizulegen, die der Persönlichkeit der Porträtierten entspricht. Das Foto wird nicht als Symbol gesehen, sondern mit seiner Struktur aus Flächen, Linien und Formen als Materialität begriffen, weit entfernt von den Porträtierten. Die durch die Vergrößerung der fotografischen Vorlage entstehenden hellen und dunklen Flächen dienen Krone als Orientierung. Sie wurden mit Filzstiften eingerahmt, schraffiert und ausgemalt. Die Farben sind zart. Statt Rot: Rosé, statt Blau: Bleu. Krone rastert in seinem sehr individuellen, kleinteiligen Stil die Damen fast bis zur Unkenntlichkeit auf – übrig bleiben tatsächlich nur „immer die Gleichen“. Ein Scheitel, Augen, ein Mund. Vielleicht ist diese Chiffrierung und Übermalung ja auch als Kommentar zu verstehen, sozusagen nach den „Strukturen“ hinter den Personen zu suchen. Jedenfalls löst sich mit diesem Blick auch der vermutete Konflikt zwischen den Porträtierten und dem Künstler. Wie werden Brigitte Faber-Schmidt, Geschäftsführerin von Kulturland Brandenburg, die langjährige Vorsitzende des Brandenburgischen Kunstvereins Jeanette Niebelschütz oder die Kulturministerin Prof. Johanna Wanka auf die ungebeten, aber mit ihrem Wissen entstandenen Gemälde reagieren? Nach der schelmenhaft zur Eröffnung vorgetragenen Entschuldigung des Künstlers, „Verzeiht mir alle – es tut mir leid!“ konnten sie ihm nicht recht böse sein. Die sieben der insgesamt neun Porträtierten, die zur gut besuchten Vernissage mit rund fünfzig Gästen kamen, waren es jedenfalls nicht. Erst im späteren Verlauf des Abends sollte sich eine für ihr Temperament Bekannte ein Stück weit echauffiert haben. Diese Akzeptanz liegt an der Haltung von Lothar Krones übermalten Palimpsesten. Sie bleibt durchweg huldigend und wertschätzend. Krone macht den Damen den Hof, er will nicht Schwächen offen legen.Den zwanzig Bildern sind Texte von Monika Tietze zugeordnet, die in Unkenntnis von Person und jeweiliger Stellung den Damen kurze „Gedankensplitter“ in den Mund legte. Sieht man dies als das, was es ist, nämlich als literarischen Versuch, nur ausgehend von Abbildungen auf Charaktereigenschaften zu schließen, dann entwickeln Tietzes Texte einen sehr intimen Klang. In einigen Fällen, wie in dem von Brigitte Faber-Schmidt, gibt es offenkundig verblüffende Übereinstimmungen zwischen der wirklichen Disposition der Dargestellten und dem von Tietze Imaginierten. Die Texte wagen etwas. Man darf nicht vergessen, wo man sich befindet: in den Räumen von Hanne Landbecks Schule für kreatives Schreiben. Beide, der Künstler und die Autorin, wollen sich nicht an ihre Objekte anbiedern, ihnen zu nahe treten. Beide arbeiten mit den Möglichkeiten, wie deren starre Momentaufnahmen auf die Betrachter wirken können. Das Bild ist nur eine Hülle, die der Phantasie den Platz gibt, beschrieben zu werden. Bis 14. November, Mo – Fr 10 – 18 Uhr, Schreibwerk im Luisenforum, Brandenburger Str. 5
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: