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Kultur: Beuteldeutsche

Samajona auf der Bühne am Hafen und Celebration auf der Landesbühne Brandenburg

Stand:

Samajona auf der Bühne am Hafen und Celebration auf der Landesbühne Brandenburg Abends um sechs, langsam wird es dunkel. Es passiert, was passieren muss bei einem Bürgerfest mit Bier. Vor der Bühne werden die schmächtigen Teenie-Fans der drei tanzenden und singenden Barbie-Puppen von Samajona von den zechenden Glatzköpfen in durchnässten Kakhihosen an den Rand gedrängt. Dass Sabrina, Marleen, Marie und Kristy sonst zu viert auftreten, stört niemanden. Die Musik kommt sowieso vom Band. „Sag es direkt, labern hat keinen Zweck“, heißt ein Titel der hüpfenden Bravo-Lieblinge. Nun gut, sie wollen es so. Die Bühne des Privatradiosenders, auf denen die drei Lolitas rhythmisch ihre Körper kreisen lassen, wird rechts und links von einem großen Energiekonzern flankiert, der gerade Ärger mit der Kartellrechtsbehörde hat. Das Einheitsfest kommt gerade recht, Verbundenheit mit dem Bürger zu heucheln. Es werden rote „Monsterhandschuhe“ aus Plastik in die Menge geworfen. „Wir haben unseren Traum erfüllt“, lässt eines der Mädchen ihr Publikum wissen. In ihrem Lied heißt es „komm erfüll“ Dir Deinen eigenen Traum, es ist ganz einfach.“ Samajona, gefangen in ihrer bunten Klingeltönewelt, wissen wahrscheinlich gar nicht, wem sie gerade diese guten Ratschläge geben. Vor ihnen stehen neben den Kahlrasierten, die ihren mitgebrachten Schnaps aus großen Colaflaschen trinken, einige von den Umständen desillusionierten Frührentner und einfache Menschen, die ihren Töchtern mit dem Besuch des Volksfestes einen billigen Gefallen tun wollen. Beuteldeutsche, die die Taschen des Bundestages mit Werbegeschenken gefüllt haben, das „Fanclub Deutschland“-Käppchen schief auf der Pomade. Träume? Jeder wäre empört, wenn er die Träume erfahren würde, die die Augen der älteren Männer beim Anblick von Samajona zum Glänzen bringen. * * * Der erste Tag der Einheitsfeiern geht zu Ende. Es ist die Stunde mit dem höchsten Alkoholpegel. Die Bühne in der Schlossstraße liegt wie ein Wehr in der Dunkelheit, um Heimkehrer aufzuhalten, die vom Neuen Markt kommen. Die Bierstände versorgen die Menge mit kleinen Schnapsfläschchen, die von Kellner auf Tabletts angeboten werden. „Celebration Orchestra Germany“ heißt die zehnköpfige Gala-Formation des in Potsdam bekannten Trompeters und Big-Band-Leiters Arnold Hänsch. Profi-Musiker alle, die ein Tanz- und Stimmungsrepertoire anbieten. 250 Stücke insgesamt, behauptet Hänsch. Der Bandname ist einem Stück der 70er-Jahre-Disko-Formation „Cool and the Gang“ entlehnt. Drei Sänger teilen sich die Aufgabe auf der Bühne. Mike, der auch manchmal Trompete spielt, die blonde Tina Cillies und Jacqueline Boulanger. Schon beim Soundscheck zog Boulanger Zuhörer an, als sie Gloria Gaynors Hymne „I am What I am“ anstimmte. Es ist nicht die Schuld der Band, dass die Menge immer schwindet, wenn Mikes blecherne Stimme sich an Klassikern wie „Fever“ versucht und dabei dem Stück seine Seele nimmt oder wenn die extrem unsichere Cillies am Grove von „Moving all up“ von M-People scheitert. Nur Jacqueline Boulanger besitzt genug Bühnenpräsenz, um das fröstelnde Publikum zu interessieren. Keiner möchte direkt vor der Bühne stehen. Dort tänzelt einzig ungelenk ein Trunkener im Veitztanz. Matthias Hassenpflug

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