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Von Klaus Büstrin: Bewegend-inspirierende Zeiten

Vor 60 Jahren gab es im Haus in der Zimmerstraße die erste Vorstellung des Hans Otto Theaters

Stand:

Mit dem Schauspiel der Deutschen, mit Goethes „Faust“, begannen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder kontinuierliche und professionelle Theateraufführungen in Potsdam, ab dem 16. Oktober 1949, also vor 60 Jahren. Viereinhalb Jahre zuvor, in der Nacht vom 13. zum 14. April 1945 wurde während des Bombenangriffs auf Potsdam auch das Bürger-Theater am Stadtkanal, das der musenfreundliche König Friedrich Wilhelm II. 1795 erbauen ließ, zerstört.

Es wurde eine Spielstätte gefunden, in der man nur mit kleinen Stücken aufwarten konnte. So war sie von vornherein nur als Übergang gedacht, im friderizianischen Neuen Palais. 1946 fand die erste Vorstellung im Schlosstheater statt. Hier wurde ebenfalls Goethe das erste Wort gegeben, mit „Iphigenie auf Tauris“. Doch das Schwergewicht lag in den kommenden drei Jahren auf Lustspiel-Inszenierungen. Damit wollte man einem in der Kriegsfolge sich ausbreitenden Fatalismus entgegenwirken.

Das Schlosstheater konnte mit seinem denkmalpflegerischen Anspruch nur vorübergehend dienen. Während der Erkundung nach einem geeigneten Spielort für Schauspiel, Oper, Ballett und Konzert fand man in der Zimmerstraße die Gaststätte „Zum alten Fritz“. Das Brandenburgische Landestheater konnte sich nach dem Umbau nunmehr in einem eigenen Haus einrichten. Aber auch dies galt nur als Provisorium. Das Vorhaben, ein neues und modernes Theatergebäude zu bauen, blieb bei Theaterleuten und Zuschauern, selbst bei einigen Kommunalpolitikern erklärtes Ziel. Erst 1988/89 war es dann soweit: Auf dem Alten Markt starteten die Bauarbeiten. Doch kurz nachdem die politische Wende eingeläutet wurde, opponierten alteingesessene Potsdamer und Neubürger gegen den bereits stehenden Betonklotz. Er verschwand, denn das nun wieder erstehende Stadtschloss hatte Priorität. Eine Behelfsstätte musste her. Das Haus in der Zimmerstraße war baulich nicht mehr tragbar. So kam die „Blechbüchse“ auf den Alten Markt. Sie sollte anfänglich nur fünf Jahre dort stehen, letztlich hat es aber 14 Jahre gedauert, bis die Stadt am 22. September 2006 ihren Theaterneubau in der Schiffbauergasse eröffnen konnte.

47 Jahre gab es Theaterprovisorien in Potsdam. In ihnen wurden Spielpläne realisiert, die eine große Palette an Stücken unterschiedlicher Genres bereithielt. Und es wurden viele qualitativ großartige Schauspiel- und Operninszenierungen vorgestellt, von denen man weit über die Stadtgrenzen Potsdams sprach. War in der ersten Spielzeit Alfred Dreifuß Intendant des Landestheaters, so wurde ein Jahr später Ilse Weintraud die Chefin. Ab 1952 nennt man das Theater nach dem Berliner Schauspieler Hans Otto, als Künstler linker Gesinnung 1933 von den Nationalsozialisten ermordet.

Unter Ilse Weintrauds Leitung gab es für die Künstler und für ihr Publikum ein neues Terrain zu erobern: die Aufnahme sowjetischer Stücke in den Spielplan. Da mussten vor allem Vorurteile gegenüber den „Russen“ abgebaut werden. Die Theaterleitung und die Schauspieler spielten bis zu drei Schauspielen pro Saison. Sogar sowjetische Operetten wurden aufgeführt. Der Weintraud-Nachfolger Gerhard Meyer erzählte mit Schauspielen von Tschechow, Tolstoi und Gorki in atmosphärisch dichten Inszenierungen vom Untergang einer alten Epoche und vom Neuen, das sich Bahn brechen will. Auch danach fanden zeitgenössische Stücke aus der Sowjetunion den Weg auf die Bühne des Potsdamer Theaters. Darin wurden oftmals Themen behandelt, die sich mit der Geschichte und der Wirklichkeit kritisch auseinandersetzten. Ein kräftiger Wind von Perestroika kam 1988/89 mit „Morgen war Krieg“ von Boris Wassiljew und „Zeit der Wölfe“ nach dem Roman von Tschingis Aitmatow auf die Bühne. Intendant Gero Hammer hatte damit Mut bewiesen, gegen politische Borniertheit sich durchzusetzen. Regisseure wie Uta Birnbaum, Peter Kupke, Günter Rüger oder Rolf Winkelgrund sorgten für anregende theatralisch-politische Wirkungen. Doch auch Anfang der sechziger Jahre musste Gerhard Meyer immer wieder solche Schauspiele, die die sozialistische Wirklichkeit in der DDR beschrieben gegenüber den SED-Oberen verteidigen, Stücke von Peter Hacks („Die Sorgen und die Macht“), Heiner und Inge Müller („Die Korrektur“ und „Der Lohndrücker“ oder Alfred Matusche („Die Dorfstraße). In dieser Hinsicht musste auch Gero Hammer den Spielplan vor der SED-Bezirksleitung stets verteidigen. In den späten DDR-Jahren nahm es lächerliche Formen an. Und stets war preußische Geschichte auf der Bühne zu sehen, bis in Uwe-Eric Laufenbergs Ära in diesem Sommer hinein. Mit dem Stück „Katte“, das die problematischen Beziehungen zwischen König Friedrich II. und seinem Vater, dem Soldatenkönig, beleuchtete, wurde das neue Haus am Tiefen See eröffnet. Das erfolgreichste Stück beim Publikum in der Potsdamer Theatergeschichte, was die Vorstellungszahlen betrifft, konstatierte man in den achtziger Jahren mit „Die Preußen kommen“ von Claus Hammel – ein locker-freimütiger Umgang mit der deutschen Historie, ein Novum in der DDR.

Opern-, Operetten- und Musicalaufführungen erfreuten sich auch in Potsdam stets großen Zuspruchs. Unter schwierigen Bedingungen wurde in der Zimmerstraße und in der „Blechbüchse“ große Oper gespielt, von Händel bis Verdi. Als der Regisseur Peter Brähmig 1969 an das Hans Otto Theater engagiert wurde, begann mit der Orientierung auf Mozart-Opern vor allem im Schlosstheater eine verdienstvolle Kontinuität einzuziehen. Brähmig, die Dirigenten sowie das Opernensemble klopften die Werke des Salzburger Meisters auf die Gegenwart ab, ohne sie zu vergewaltigen. Mitte der neunziger Jahre wurden das Solistenensemble und der Chor, im Jahre 2000 die Philharmonie, abgewickelt. Musiktheaterinszenierungen gibt es dennoch in Potsdam, mit wechselnden Solisten und als Kooperationen.

60 Jahre Hans Otto Theater. Man denkt an ein großes Kaleidoskop künstlerischer Ereignisse zurück. Das neue Team um Intendant Tobias Wellemeyer, das im Sommer im Theater Einzug hielt, wird auf seine Weise für inspirierenden Diskussionsstoff sorgen.

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