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Interview mit Laura Heinecke: „Bewegung ist überall“

Zu den Tanztagen in der „fabrik“ gehören immer die Workshops. Laura Heinecke erklärt, warum die nicht nur etwas für Tänzer sind

Stand:

Frau Heinecke, welche Rolle spielt denn das Workshop-Programm innerhalb der Tanztage als Festival?

Das Festival soll Tanz ja erlebbar machen – und das eben einerseits zum Angucken, andererseits aber auch zum Mitmachen. Mit den Workshops versuchen wir ein breites Spektrum abzudecken, um verschiedene Menschen zu erreichen: Die, die nur zu ganz bestimmten Zeiten können etwa, und die, die sich für ganz bestimmte Stile interessieren. Aus diesem Mitmachprinzip ist die fabrik ja auch entstanden.

Welche Leute erreicht man denn überhaupt mit Tanzworkshops – nur die, die ohnehin ein Faible für das Tanzen haben, oder auch komplett Unbedarfte?

Ich glaube, das ist gemischt, es gibt Leute, die seit zehn Jahren immer wieder kommen und wissen: Über die Dauer des Festivals nehme ich ein bisschen frei und belege ein paar Kurse. Die meisten von ihnen sind Potsdamer, einige kommen auch aus Berlin, ein kleiner Teil sogar aus dem Rest der Republik. Ich kann mich aber auch gut an eine Frau aus dem vergangenen Jahr erinnern, die mir sagte, sie habe noch nie irgendetwas mit Tanz gemacht. Die wollte erst einmal wissen, welche Kurse für sie geeignet wären. Der habe ich drei oder vier vorgeschlagen – und sie hat dann spontan alle gebucht. Zu zweien hat sie sogar ihren Mann mitgebracht.

Was empfehlen Sie denn kompletten Laien wie dieser Frau?

Einer der Kurse, die ich dieser Frau empfohlen habe, ist „Fit in den Tag: Gaga“, das hat sehr gut gepasst. Den Kurs „Gaga“ gibt es auch für abends. Dann gibt es einen reinen Tanzkurs, „Contemporary für Anfänger“ und für Menschen, die weniger mit Tanz zu tun haben, gibt es einige Besonderheiten, zum Beispiel das „Labor für performative Stadterkundung“. Das hat mit dem Verständnis von Körpern, Richtungen und Architektur zu tun. Wenn man sich für diese Öffnung zu experimentelleren Techniken interessiert, ist das sehr spannend.

Was genau muss ich mir denn darunter vorstellen: performative Stadterkundung?

Ich habe einmal selbst bei so etwas mitgemacht, da ging es darum, uns selbst, unsere Körper, in Bezug zu den Gebäuden zu stellen. Die Leiterin des Kurses, Diana Wesser, schaut sich mit den Kursteilnehmern Gebäude, Treppen, Architektur und so weiter an und macht sie durch Bewegung erfahrbar. Das kann also so eine Art performativer Spaziergang werden und der Blick auf die eigene Stadt wird neu ausgerichtet.

Der andere Kurs, den Sie Laien empfehlen, ist „Gaga“. Was verbirgt sich dahinter?

Das ist eine Technik eines israelischen Tänzers, der – meiner Meinung nach – nichts Neues erfunden hat, sondern sehr gut viele Erkenntnisse im Tanz zusammengefasst hat. Die Grundannahme ist, dass Bewegung überall ist. Wo etwa im Ballett eine Position gehalten wird, geht man beim Gaga davon aus, dass die Bewegung weitergeht. Man versucht also immer, sich noch weiter auszudehnen, anstatt bis zu einem bestimmten Punkt durchzubrechen, den es zu erreichen gilt. Es geht darum, die Lust an der Kraft zu finden.  

Das klingt ein bisschen wie beim Yoga. Überhaupt wirken viele Kursangebote wie Konglomerate aus schon bestehenden Techniken. Ist das aktuell ein Trend beim Tanz: Ältere Techniken neu zu kombinieren und weg von Schulen wie dem Ballett, wo es sehr starre Regeln gibt?

Ich habe eher das Gefühl, das ist ein genereller Trend, der Zeitgeist. Es geht stärker darum, sich zu öffnen, festzustellen, was man eigentlich tut – anstatt etwas Bestimmtes tun zu müssen. Das kann auch bei der persönlichen Entwicklung insgesamt sehr helfen.

Was war denn Ihr Ansatz, als Sie das Workshop-Programm zusammengestellt haben – was wollen Sie anbieten?

Ich habe versucht, eine gute Mischung hinzubekommen für die Potsdamer, für Leute mit und ohne Erfahrung. Daneben gibt es ein paar Angebote für Profitänzer, die aus ganz Deutschland kommen. Der Schwerpunkt liegt aber natürlich auf Potsdam. Ich will den Leuten einerseits die Chance geben, kurz in Dinge hineinzuschnuppern – wie etwa bei dem Hula-Hoop-Kurs, der nur über drei Tage geht – und andererseits Angebote machen für Leute, die sich etwas intensiver mit Tanz beschäftigen wollen. Es gibt Neues zu entdecken, aber auch Tai Chi oder Body-Mind-Centering, was wir seit Jahren anbieten.

Hula Hoop erlebt ja gerade ein Revival im Zuge der ganzen 80er-Jahre-Nostalgie. Haben Sie das deshalb mit ins Programm genommen?

Ich wusste gar nicht, dass das so im Kommen ist als Fitness-Programm. Mich hat eine Mitarbeiterin auf eine Künstlerin aus England aufmerksam gemacht, die das sehr mit Akrobatik verbindet. Das macht schon beim Zugucken Spaß.

Haben Sie einen persönlichen Favoriten unter den Kursen?

Naja, ich bin Tänzerin. Mich interessiert alles! Aber im Ernst, Edivaldo Ernesto, der den Workshop „Next Level“ anbietet, tanzt seit 5 Jahren bei Sasha Waltz, hat aber noch nie in Berlin unterrichtet – und kommt jetzt für einen Workshop nach Potsdam, das ist schon ein Highlight.

Bei Männern stößt man oft auf große Vorbehalte allem gegenüber, was mit Tanz zu tun hat – kommen trotzdem welche zu den Workshops?

Klar, zu den Workshops kommen etwa ein Viertel Männer, drei Viertel Frauen. Aber bei den Kinder-Tanzkursen haben wir immer viele Jungs – und einige bleiben dabei. Wichtig ist, dass es männliche Lehrer als Vorbilder gibt – wie etwa Jordi Cortéz, der einen Kurs für Behinderte und Nicht-Behinderte anbietet und der eine echte Autorität ist. Auch bei der Akrobatik hatten wir in den vergangenen Jahren immer viele Männer, die waren da fast schon in der Überzahl, genauso beim „Acrobatic in urban spaces“ mit Elementen von Parcour, bei dem man versucht, einer bestimmten Linie durch die Stadt zu folgen, ganz gleich, ob man dabei Mauern, Bäume oder Häuser überwinden muss. Es geht dabei nicht darum, die Dinge einzurennen, sondern eben mit den Hindernissen umzugehen. Das ist ein wenig wie das Gaga der Akrobatik.

Sie haben eben den Workshop für Behinderte und Nicht-Behinderte angesprochen – ist so ein integrativer Kurs zum ersten Mal dabei?

Ja – und ich bin selbst gespannt, wie das funktioniert. Er richtet sich eher an Körperbehinderte, was ja aber auch Blinde und Taube mit einschließt. Auch darüber hinaus haben wir versucht, viele verschiedene Gruppen anzusprechen: Eltern, Berufstätige und so fort. Deshalb gibt es Formate, die sehr früh stattfinden oder eben abends. Für die mehrtägigen Angebote haben wir versucht, einiges über die Pfingstfeiertage zu legen.

Das Gespräch führte Ariane Lemme

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