Kultur: Bewusstes Anecken
Jens Bisky stellte sein Buch „Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich“ vor
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Jens Bisky stellte sein Buch „Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich“ vor Von Dirk Becker Warum er dieses Buch geschrieben habe, wurde Jens Bisky von einem sichtlich erregten älteren Herren am Donnerstagabend im gut besuchten Brandenburgsaal der Staatskanzlei gefragt, der dazu betonte, Biskys Eltern gut zu kennen. Wie er zu seinem Vater, der ein „typischer Parteigänger“ sei, denn heute stehe, fragte wenig später ein anderer älterer Herr. Jens Bisky antwortete ruhig und bedacht. Aus Ärger über die heute immer wieder bruchstückhafte und stereotype Darstellung der DDR habe er die über 240 Seiten von „Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich“ niedergeschrieben. Und seinen Vater habe er nie als typischen Parteigänger erlebt. Doch diese Antworten werden die beiden älteren Herren nicht erreicht haben. Denn wirklich fragen wollten sie nicht. Ihre Stimmen, wie sie fragten, machten klar, dass sie gekommen waren, um anzuklagen. Wenn der Sohn des bekannten PDS-Politikers Lothar Bisky und der der inoffiziellen Stasimitarbeit überführten Mutter, Almuth Bisky, ein sehr persönliches Buch über seine Zeit in der DDR schreibt, dann muss zwangsläufig mit den üblichen Reflexen gerechnet werden. Für manche ist er der Nestbeschmutzer, der frecherweise mit dem Staat abrechnet, von dem sie sich ein mühevoll poliertes Schöne-Welt-Bild geschaffen haben. Von anderen wird er stellvertretend für das angegriffen, was seine Eltern und andere Parteifunktionäre in der DDR gemacht oder nicht gemacht haben. Seine Name wiegt schwer, und schnell will man gerade in diesem Fall Persönliches als etwas Politisches lesen. Niemand kann in die Köpfe der Menschen schauen. Und so blieb nur zu hoffen, dass die Mehrzahl der Zuhörenden an diesem Abend von derartigem Scheuklappendenken weitestgehend frei waren. Am 13. August 1966 wurde Jens Bisky geboren. Genau vier Jahre nach dem Mauerbau, der auch maßgeblich seine Geschichte beeinflussen sollte. Von seinen Eltern, den fast schon anrührend dargestellten Überzeugungskommunisten, die jegliche Privilegien in der DDR ablehnten, um nicht das heilige Gleichheitsprinzip zu missachten, schreibt Bisky. Auch von dem Gefühl der Scham, als er erfuhr, dass seine Mutter als IM prominente Schriftsteller wie Erich Loest bespitzelte. Bisky beschreibt die Ernüchterung dieser Erkenntnis. Weiter jedoch geht er nicht. Er schwingt sich nicht zum Inquisitor und Richter auf, obwohl das mancher gern gelesen hätte. Bisky nimmt sich das Recht auf Einsicht, Auseinandersetzung und Veränderungen. Er hat als Jugendlicher fest an sein Land, die DDR, geglaubt. Erst in der Armee, wo er vier Jahre als Offizier auf Zeit diente und seine Homosexualität tatsächlich daraufhin untersucht wurde, ob sie eine Gefahr für das Land sein könnte, zerbrach dieser Glaube. Das starre Denken in Normen, das kein „Ich“ sondern nur ein „Wir“ zuließ, wollte ihm, wie vielen anderen auch, nicht passen. Doch das nicht mehr Dafür, bedeutete nicht gleichzeitig ein Dagegen. In einem Zwiespalt lebte er nun in der DDR, bis in seinem 23. Lebensjahr die Mauer geöffnet wurde. Heute arbeitet Jens Bisky als Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. In seinem Buch hat er den Prozess des Verstehens nach 1989 nachzuzeichnen versucht. Bisky erzählt, was er damals erlebte, wie er es damals verstand und wie er es heute sieht. Dass sein Erinnern gleichzeitig auch ein Preisgeben ist, nimmt er dabei bewusst in Kauf. Bisky erzählt seine Geschichte, wie sie sich im Zerrspiegel der Erinnerungen präsentiert. Gerecht werden will er damit niemanden. Je öfter man in diesem Buch aneckt, umso besser, denn nur dann kann eine persönliche Auseinandersetzung erfolgen. Über 25 Exemplare von „Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich“ wurden an diesem Abend verkauft. Für Bisky, der den unsäglichen Ostalgikern den Kampf angesagt hat, ein sehr gutes Zeichen. Jens Bisky: Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich, Rowohlt-Verlag, 240 S., HC, € 17,90
Dirk Becker
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