Kultur: Bezaubernde Kurzweiler
Bachtage mit dem Ensemble Amarillis
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Bachtage mit dem Ensemble Amarillis Weiter als bis Hamburg und Lübeck (um dort Buxtehude zu hören), Potsdam und Dresden kam er nicht. Obwohl nicht weit gereist, erhielt Johann Sebastian Bach vielfältige Kunde vom europäischen Musikleben. Am Hof des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg in Celle entdeckt der 15-Jährige die Werke von Francois Couperin. Eine exotische Musik, die ihm eine Welt erschließt. Später, in Köthen, schreibt er gar französische Suiten. Doch in Frankreich war er nie. Diesem Verhältnis suchen die Bachtage Potsdam nachzuspüren. Passenderweise tun sie das in der Französischen Kirche - mit einem reizvollen Programm aus Werken von Bach und seinen französischen Vorbildern bzw. Zeitgenossen. Dass die Ausführenden ebenfalls aus dem Lande Couperins, Ludwigs XVI. und Chiracs kommen, versteht sich fast von selbst. Die drei jungen Damen des Ensembles „Amarillis“ aus Paris beherrschen den französischen Stil der vorgestellten Werke natürlich aus dem Effeff. Zum Auftakt spielen sie Ausschnitte aus der „Suite en mi mineur pour Flute de voix et basse continue“ von Charles Dieupart (1670-1740). Diese „Stimmen-Flöte“, die einst nur in Frankreich gebräuchlich war, sieht wie eine überdimensionierte Blockflöte aus. Sie wird von Heloise Gaillard, die später auch auf Altblockflöte und Barockoboe brilliert, kunstgerecht begriffen und beatmet. Aufgrund des Baus ist der Ton dieses originellen Instruments nicht weittragend, begeistert aber durch sein dunkles und warmes Volumen. Samtig weich und zart tönt die Ouverture. Allemande und Gigue hüpfen mit singendem Tonfall einher. Nicht minder bewandert zeigt sich das Continuo mit Schwester Ophelie (Violoncello) und Violaine Cochard (Cembalo). In Couperins Premier concert royal en sol Majeur (G-Dur), einer Mixtur aus Tanzsätzen für Oboen-Trio und Solopiecen für Cembalo, können sie mit ihrer Kunst verzierungsreichen Vortrags glänzen. Allerdings hält der sich - nach Komponistenvorgabe - in Grenzen, denn französische Barockmentalität liebt vorzugsweise die vornehme Zurückhaltung, nicht den italienischen Überschwang. Man mag das beherrschte Klangkalkül, die Schönheit klarer Formen. Dieses königliche Konzert macht darin keine Ausnahme. Es gibt dem näselnden Soloinstrument breiten Raum zur Entfaltung getragener Empfindungen. In silbrigem Glanze schimmernd, hören sich die filigranen Cembalostücke als bezaubernde Kurzweiler an. Schlicht, aber dennoch kunstvoll verfertigt präsentieren sich auch Auszüge aus der d-Moll-Suite Nr. 3 für Cembalo von Jean-Henri d''Anglebert (1635-1691) an. Es sind Stücke zum Träumen, die ohne rauschende Tonkaskaden auskommen. Eine anmutige Facette a la francaise liefert Jean Barriere (um 1705-1747) mit seiner d-Moll-Sonate für Altblockflöte und basse continue. Ausdrucksintensiv zeigen sich die beiden langsamen Sätze, vergnüglich die beiden schnellen. Kunstvolle Stilisierung, gepaart mit Spielfreude und tänzerischer Beweglichkeit zeichnet Bachs Suite Nr. 1 G-Dur BWV 1007 für Violoncello solo aus, die Ophelie Gaillard mit warmem, vibratoreichem Ton spielt. Sie präsentiert sich dabei keinesfalls als introvertierte Bachpriesterin, sondern als herrlich gelöste Antiakademikerin. Lagenwechsel und Doppelgriffe gelingen vorzüglich. Wie ein Perpetuum mobile spult sich Bachs C-Dur-Sonate für Altblockflöte und Cembalo ab, eine (ungenannte) Bearbeitung seiner 6. Orgelsonate BWV 530. Bach und die Franzosen: wir Musikliebhaber sind wieder ein Stück schlauer geworden - dank „Amarillis“. Peter Buske
Peter Buske
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