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Musikfestspiele: Beziehung mit Hindernissen

Oft Konkurrenten, gelegentlich auch Freunde: Sachsen und Preußen im 17. Jahrhundert

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Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die am Freitag beginnen, stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“. In einer fünfteiligen Serie widmen sich die PNN den mal mehr oder weniger freundschaftlichen Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen im 17. und 18. Jahrhundert.

Sachsens Glanz und Preußens Gloria. Knausrig der Preuße, verschwenderisch der Sachse. Auf der einen Seite die märkische Streusandbüchse, im Süden jedoch das blühende Sachsen. Und dann ist da natürlich noch der Dialekt, der beiden Seiten für Hohn und Spott dient. Die Vorurteile des Einen gegen den Anderen, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden, sind inzwischen Legion. Und oftmals in der Geschichte traten die beiden Länder als Konkurrenten auf. Doch für eine kurze Periode im 18. Jahrhundert wurden aus den Kontrahenten – zumindest nach außen hin – Freunde.

Das Bild, das das Heilige Römische Reich Deutscher Nation von seiner Mark Brandenburg zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte, war nicht das Beste. „Strohdächer und Knappkäse gibt es hier in der Mark reichlich; und wenn du unsere blauäugigen Frauen sähest, würdest du mit uns weinen, wenn du noch etwas Mitleid hättest, und würdest nicht zu uns kommen, weil wir auf der Insel Patmos sind.“ Es sind keine schmeichelhaften Worte, die der „Kosmopolit“ Philipp Hainhofer für die Mark Brandenburg findet. Und tatsächlich besserte sich das Ansehen erst nach dem 30-jährigen Krieg, der 1648 beendet wurde, mit Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, der den Ausbau des Zentralstaates und des Heeres vorantrieb. Bis zu seinem Tod 1688 war aus der Provinz am Rande des Reiches eine Macht geworden, mit der man rechnen musste.

Doch da war auch noch der sächsische Nachbar, der sich weit weniger mit solchen Vorurteilen auseinandersetzen musste. Es war die Zeit vierer Kurfürsten, allesamt gleichen Namens. Im Gedächtnis geblieben sind diese vier Johann Georgs der Nachwelt jedoch kaum, ganz anders als August der Starke. Trotzdem lohnt ein kurzer Blick auf diese „vergessenen“ Kurfürsten.

Da war der „Bären-Georg“, der seine Jagdleidenschaft im Namen trug. Der folgende Johann Georg II. brachte es noch nicht einmal auf einen anständigen Beinamen und als Lichtgestalt auf der politischen Bühne konnte man ihn kaum bezeichnen. Er war jedoch ein Mann mit Sinn für Kultur, der unter anderem in Dresden den Großen Garten anlegen ließ. Johann Georg III., der „Sächsische Mars“, verdankt seinen Namen dem Blick über die Grenze ins Brandenburgische. Nach dem Vorbild des Nachbarn im Norden führte er ein stehendes Heer in Sachsen ein. Und langsam warf auch die Residenzstadt Dresden den Mantel der Provinzialität ab. Nicht zuletzt war der „Sächsische Mars“ auch ein Feingeist. Seiner Vorliebe für italienische Musik verdankten die Sachsen die Einführung der Oper im Kurfürstentum.

Mit dem vierten und letzten Johann Georg erfolgte eine Annäherung an Brandenburg-Preußen. Eine missglückte Annäherung. Die Rede ist von der, durch Hans Adam von Schöning – ehemals kurbrandenburgischer und danach sächsischer Feldmarschall – arrangierten, kurzen und unglücklichen Ehe des Kurfürsten mit Eleonore, der Witwe des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Johann Georg war weniger an seiner Gemahlin als vielmehr an seiner Mätresse interessiert und so kursierten viele Gerüchte um die Ehe, ja von Prügeln und wilden Beschimpfungen ist die Rede. Doch schon zwei Jahre nach der Hochzeit starb der Kurfürst. Böse Zungen vermuten, dass die Blattern nicht die Todesursache waren, sondern möglicherweise Gift und dass man eine Mitbeteiligung des Bruders – ein gewisser August – nicht ausschließen könne.

Nun aber begann für Sachsen ein neues Zeitalter – nicht dass sich die Zeitgenossen dessen bewusst waren, dass man in Zukunft nur noch von dem „Augusteischen“ sprechen würde, nein, für sie trat nur der Bruder des verstorbenen Johann Georg dessen Nachfolge an. Ein kräftiger Kerl, soviel stand fest, er liebte die Frauen und trinken konnte er auch. Dazu wusste man von seinem Hang zum Luxus – die beiden Aufenthalte in Versailles während seiner Grand Tour waren wohl Schuld daran. Soweit die Fakten oder anders gesagt: der Tratsch, der damals in den Straßen von Dresden die Runde machte. Es war das Jahr 1694, in dem August Kurfürst wurde und er verlor keine Zeit. Um auf der politische Bühne Europas gesehen und vor allen Dingen gehört zu werden, reichte ein Kurfürstentum nicht aus, besser war ein Königstitel. Den erlangte August in Form der Krone Polens, die er seit 1697 trug.

Im brandenburgisch-preußischen Norden beobachtete man die Verhältnisse in Sachsen äußerst genau und blieb selbst nicht untätig. Friedrich III. war seit 1688 Kurfürst. Als er 25 Jahre später starb, hinterließ er 20 Millionen Taler Schulden. Und für dieses Geld hatte er auch einiges bekommen, eine Königskrone etwa. Aber Friedrich war seit 1701 nicht König „von“ sondern nur „in“ Preußen. Wie auch immer: Der erste, der den neuen König anerkannte, war August der Starke.

Auch wenn Friedrich das Regieren größtenteils seinen Ministern überließ und die dabei fröhlich in die eigenen Taschen wirtschafteten, gehen doch die Gründung der Hallenser Universität etwa oder der Bau des Zeughauses Berlin genauso wie die Gründung der Akademie der Wissenschaften und der Bau von Schloss Charlottenburg auf sein Konto. Weniger Glück – darin stand er seinem sächsischen Gegenpart in nichts nach – hatte er mit den Frauen. Die Ehe mit Sophie Charlotte war ausgeglichen, nicht immer war man einer Meinung und so schien „leben und leben lassen“ die Devise dieser Beziehung zu sein. Doch die folgende Verbindung des „Schiefen Fritz“, wie Friedrich aufgrund eines Unfalls genannt wurde, mit der 28 Jahre jüngeren Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin, auch „Mecklenburgische Venus“ genannt, war ein Desaster. Sie kam mit dem Leben am Hof nicht zurecht, besonders die Intrigen seitens der Mätresse Friedrichs – der Gräfin Wartenberg, eine Frau, die von sich selbst behauptete, mehr Liebhaber gehabt zu haben, als es Muscheln am Strand von Schevingen gäbe – setzten ihr zu. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1713 hielt Friedrich seine Gemahlin für die „Weiße Frau“, als sie halbverrückt nachts durch das Berliner Schloss irrte.

Friedrichs Nachfolger kennt man eher als „Soldatenkönig“, denn als Friedrich Wilhelm I.. Dem verschuldeten Land, das er übernahm, verordnete er ein Sparprogramm, was nicht sonderlich zu seiner Beliebtheit beitrug. Reform war das Zauberwort seiner Regierungszeit. Alles wurde dem Militär untergeordnet. Am besten drückte es der französische Graf Mirabeau aus: „Die preußische Monarchie ist nicht ein Land das eine Armee hat, sondern eine Armee die ein Land hat “

So regierten zu Beginn des zweiten Dezenniums in Brandenburg-Preußen und Sachsen zwei Herrscher, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten. Doch trotz aller Unterschiede gab es zahlreiche Berührungspunkte.

Schon unter Johann Georg IV. war man sich näher gekommen. Die Verlobung, von der bereits die Rede war, fand in Berlin statt und um dieses Ereignis angemessen zu würdigen, stiftete man den Orden der guten Freundschaft. Im Gegenzug wohnte Friedrich der Hochzeit auf Schloss Hartenfels in Torgau bei. Und auch August der Starke traf sich mit dem Preußischen Herrscher, wie 1698 im preußischen Johannisburg.

Im Juli 1709 traf August der Starke zusammen mit dem dänischen König Friedrich IV. in Potsdam ein. Doch dazu ließ sich Friedrich I. nicht bewegen. Ein Freundschaftsvertrag war alles, was bei dem Dreikönigstreffen zustande kam. So zeigt auch das heute in Schloss Caputh befindliche Gemälde die drei in Purpur gewandeten Herrscher Hand in Hand und doch kann man nicht umhin, im Blick des Preußischen Königs eine gewisse Skepsis zu erkennen. Wenn dieses Treffen politisch auch wenig bedeutsam war, so bot es doch die Möglichkeit zur Zerstreuung. Im Programm enthalten waren etwa eine Fahrt mit der Prunkyacht von Potsdam nach Caputh, eine Jagd und der Besuch von Berlin und Oranienburg. Friedrich I. konnte seinen königlichen Kollegen zeigen, was man zu bieten hatte – was machte es da schon, dass dieses royale Amüsement die ohnehin leere Staatskasse noch weiter schröpfte.

Trotz des ausgeglichenen Verhältnisses ermahnte Friedrich I. seinen Nachfolger testamentarisch, ein Auge auf die Sachsen zu werfen, „dass sie nicht mächtiger werden, damit sie nicht insupportabel werden.“ Und diesen Rat befolgte der neue Herrscher Friedrich Wilhelm I. auf seine ganz eigene Weise. 1717 erhielt er 600 sächsische Soldaten, die er mit 151 chinesischen Deckelvasen bezahlte. Und so sprach man auf sächsischer Seite von den Dragonervasen, während man in Preußen über die Vasendragoner spottete.

Doch wo Licht ist, da ist bekanntlich auch immer Schatten. Und so gab es einen schwelenden Konflikt, der in den 1720er Jahren zu eskalieren drohte. Alles drehte sich um die Handelswege und den damit verbundenen Zöllen. Der sächsische Handel verlief zum einen über die Straße durch das Herzogtum Magdeburg nach Hamburg, zum anderen über die Elbe, vorbei an Brandenburg-Preußen, das so keine Zölle erheben konnte. Doch alle Lieferungen aus dem Süden, ob Wein aus Frankfurt am Main oder Stoffe aus Böhmen, gingen über sächsischen Boden. Die anfallenden Zölle, die erhoben wurden, waren ein empfindlicher Stachel in der preußischen Staatskasse. Bereits in den 1660er Jahren gedachte der Große Kurfürst Abhilfe mit dem Bau des Friedrich-Wilhelm-Kanals zu schaffen.

Die Lage besserte sich nochmals, als 1680 das Herzogtum Magdeburg an Preußen fiel. Doch man tat weiteres, um den Zorn des sächsischen Nachbarn auf sich zu ziehen, etwa als man die Saale bis Halle schiffbar machte und so Leipzig umgehen konnte. Für die Sachsen war das Maß 1720 endgültig voll, als Preußen Stettin erwarb und so versuchte, den sächsischen Handel von der Elbe weg auf die Oder umzuleiten. Was folgte war ein schikanöser Zollkrieg, bei dem es nicht an Drohgebärden mangelte. So war es Friedrich Wilhelms I. Wunsch, die Leipziger Messe dem Erdboden gleichzumachen und August der Starke hätte am liebsten den Friedrich-Wilhelm-Kanal beseitigt. Bis zum Winter 1727 blieb die Lage gespannt. Doch im Dezember desselben Jahres verpflichtete man sich vertraglich, diesen Zollkrieg zu beenden und im folgenden Januar schloss man gar ein Verteidigungsbündnis ab. Es schien wie der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, der die beiden Länder da entgegengingen. Doch das ist eine andere Geschichte.

Andreas Dubslaff, geboren in Potsdam, ist Kunsthistoriker und lebt in Dresden

Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci werden am Freitag um 22 Uhr mit einer „Musikalischen Andacht“ in der Friedenskirche eröffnet. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen zum Programm unter: www.musikfestspiele-potsdam.de

Andreas Dubslaff

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